Die Gerichte können (oder müssen) bei einer Verurteilung von Ausländern als Massnahme eine Landesverweisung anordnen (Art. 66a ff. StGB). Regelmässig wird zusätzlich eine Eintragung im Schengener Informationssystem (SIS) angeordnet, was im Ergebnis dazu führt, dass die Landesverweisung über die eigenen Grenzen ausgeweitet wird, gleichbedeutend mit einem Einreiseverbot in den gesamten Schengenraum.
Unabhängig von der strafrechtlichen Landesverweisung können Migrationsbehörden zusätzlich ausländerrechtliche Entfernungs- und Fernhaltungsmassnahmen erlassen (Art. 64 ff. AIG). So kann namentlich das Staatssekretariat für Migration (SEM) Ausländer mit Einreiseverboten belegen (Art. 67 AIG).
Zwischen strafrechtlicher Landesverweisung und dem ausländerrechtlichem Einreiseverbot gibt es einen entscheidenden Unterschied. Das Einreiseverbot kann aus humanitären oder anderen wichtigen Gründen vorübergehend aufgehoben werden (Art. 67 Abs. 5 AIG). Somit kann einer von einem Einreiseverbot betroffenen Person für einen bestimmten Zeitraum die Einreise in die Schweiz erlaubt werden. Bei der Landesverweisung besteht diese Möglichkeit mangels ausdrücklicher gesetzlicher Regelung dagegen nicht.
Was der Gesetzgeber nicht beachtet hat, ist, dass die fehlende Möglichkeit einer temporären Suspendierung einer Landesverweisung einen negativen Impact auf Strafuntersuchungen in der Schweiz haben kann. Das erlebe ich gerade in einem aktuellen Fall in Zürich.
In einem gross angelegten Strafverfahren mit mehreren Beschuldigten befindet sich eine sehr wichtige Auskunftsperson im Ausland. Gegen sie besteht eine Landesverweisung. Mit grossem und zeitintensivem Aufwand konnte die Staatsanwaltschaft auf dem internationalen Rechtshilfeweg eine Einvernahme der Auskunftsperson per Video organisieren. Da die Einvernahme jedoch aus zeitlichen Gründen abgebrochen worden musste, ist eine zweite Einvernahme erforderlich. Die Organisation dieser zweiten Videobefragung erweist sich allerdings als äusserst schwierig. Da unklar ist, ob und wann diese zustande kommt, sistierte die Staatsanwaltschaft kurzerhand das Verfahren. Wann dieses wieder aufgenommen wird, ist unbekannt.
Könnte die Landesverweisung temporär ausser Kraft gesetzt werden, wie das bei Einreiseverboten möglich ist, hätte die Auskunftsperson in die Schweiz einreisen und hier einvernommen werden können. Da dies nicht möglich ist, behindert die Landesverweisung im vorliegenden Fall die Strafverfolgung erheblich. Oder anders gesagt: Die Beschuldigten profitieren massiv von diesem Umstand.