In 20 Minuten vom 23. April 2004 war Folgendes zu lesen:
Das tönt ziemlich schockierend und unverständlich, hat jedoch einen simplen Hintergrund.
Aus dem Urteil des Bundesgerichts vom 8. März 2024 (4A_636/2023) ist zunächst ersichtlich, dass die Witwe die Unterhaltszahlungen an die Ex-Frau eingestellt hat, weshalb es zu einem Rechtsöffnungssverfahren gekommen ist:
A. Gestützt auf ein Scheidungsurteil vom 24. März 1993 erteilte das Bezirksgericht Zürich am 24. Februar 2023 B.________ (Gesuchstellerin und Beschwerdegegnerin) in der Betreibung Nr. xxx des Betreibungsamts Zürich 7 gegen A.________ (Gesuchsgegnerin und Beschwerdeführerin) definitive Rechtsöffnung für Fr. 41’593.50 nebst Zins zu 5 % seit 25. Oktober 2022. Im Übrigen wies es das Gesuch ab.
Das Problem ist, dass der Ehemann der Witwe mit seiner Ex-Frau im Scheidungsverfahren eine für ihn (und für die Witwe als Alleinerbin) sehr ungünstige Scheidungskonvention abgeschlossen hat:
3. Die Erstinstanz hatte im Wesentlichen erwogen, die Beschwerdegegnerin stütze sich auf das Scheidungsurteil vom 24. März 1993. Damals habe das Bezirksgericht Meilen eine Vereinbarung genehmigt, worin sich C.________ verpflichtet habe, der Beschwerdegegnerin indexierte Unterhaltsbeiträge von Fr. 12’000.– pro Monat zu bezahlen. Gemäss Vereinbarung seien diese Unterhaltsansprüche passiv vererblich, was die Rechtslage im Jahr 1993 gestattet habe. Deshalb falle eine Nichtigkeit der Vereinbarung ausser Betracht. Entgegen den Ausführungen der Beschwerdeführerin sei die Vereinbarung auch ohne Einhaltung der erbrechtlichen Formvorschriften als gültig anzusehen. Der Wortlaut der Vereinbarung sei unmissverständlich. Es bestünden keine Anhaltspunkte, dass die Vereinbarung nicht dem Willen des verstorbenen C.________ entsprochen habe. Vor diesem Hintergrund sei nicht ersichtlich, inwiefern die erbrechtlichen Formvorschriften einzuhalten gewesen wären und worin der Mehrwert bestanden hätte. Die Vereinbarung über die passive Vererblichkeit der Unterhaltspflicht sei gültig.
Gemäss Urteil des Bezirksgerichts Zürich vom 30. August 2022 sei die Beschwerdeführerin Alleinerbin des verstorbenen C.________. Damit sei sie passivlegitimiert. Scheidungsurteile seien Gestaltungsurteile, wofür grundsätzlich keine Rechtsöffnung erteilt werden könne. Allerdings treffe dies nur für den Scheidungspunkt zu, nicht jedoch für die Unterhaltspflicht. Insofern stelle das Scheidungsurteil vom 24. März 1993 einen definitiven Rechtsöffnungstitel dar. Die Schuld sei nicht getilgt, gestundet oder verjährt. Aufgrund der Indexierung resultiere ein Unterhaltsbeitrag von Fr. 13’864.50 pro Monat. Dies ergebe für die Monate Juli bis September 2022 Fr. 41’593.50. Dafür sei definitive Rechtsöffnung zu erteilen.
Der damals geltende Art. 153 Abs. 1 ZGB befasste sich nur mit dem Erlöschen der Unterhaltspflicht in Zusammenhang mit der Wiederverheiratung.
Seit 2000 ergibt sich aus dem Zivilgesetzbuch Folgendes:
4. Erlöschen von Gesetzes wegen
Art. 130 ZGB
1 Die Beitragspflicht erlischt mit dem Tod der berechtigten oder der verpflichteten Person.
2 Vorbehältlich einer anderen Vereinbarung entfällt sie auch bei Wiederverheiratung der berechtigten Person.
Der Bundesrat meinte dazu in der Botschaft vom 15. November 1995 Folgendes:
Wie bisher soll die Unterhaltspflicht grundsätzlich mit dem Tod der berechtigten oder verpflichteten Person erlöschen (Abs. 1). Ohne gegenteilige Vereinbarung wird damit eine aktive und passive Vererblichkeit von Unterhaltsbeiträgen ausgeschlossen.
Diese Ausführung zeigt, dass der Gesetzestext ungenau ist. Die Möglichkeit einer abweichenden Vereinbarung bezieht sich nicht nur auf den Fall der Wiederverheiratung, sondern auch auf den Todesfall. Dieser Meinung vertreten zum Beispiel auch Urs Gloor und Annette Spycher im Basler Kommentar.
Demzufolge ist es auch heutzutage noch möglich, mittels einer Scheidungskonvention eine passive Vererblichkeit abzumachen. Allerdings ist solch eine Regelung sehr unüblich und deshalb in der Praxis höchst selten anzutreffen, auch vor dem Hintergrund der höchstrichterlichen Fortschreibung des Unterhaltsrechts.
Im Erbrecht gilt der Grundsatz der Universalsukzession. Mit dem Erbe gehen nicht nur die Aktiven, sondern auch die Passiven auf die Erben über. Was die Witwe als Alleinerbin − wohl aus Unwissenheit − nicht bedacht hatte und schmerzhaft erfahren musste, ist, dass der Nachlass mit Unterhaltszahlungen an die Ex-Frau belastet war.
Infolge der besonderen Natur des Vollstreckungsverfahrens erfolgte schliesslich keine materielle Beurteilung des Einwandes der Beschwerdeführerin:
4.1. Die Beschwerdeführerin rügte vor Vorinstanz, die passive Vererblichkeit sei ungültig. Das Bezirksgericht Meilen habe dieser Klausel damals nicht die nötige Beachtung geschenkt. Das Bundesgericht betrachte die Formbestimmungen als Gültigkeitsvorschriften. Lehre und Rechtsprechung würden davon ausgehen, dass die Vereinbarung einer passiven Vererblichkeit einer Scheidungsrente den Nachlass des Verpflichteten belaste und daher öffentlich beurkundet werden müsse. Diese Regeln seien vorliegend verletzt worden, weshalb kein definitiver Rechtsöffnungstitel bestehe.
Dazu erwog die Vorinstanz, die Vorbringen gingen ins Leere, denn das Rechtsöffnungsverfahren sei ein reines Vollstreckungsverfahren. Das Scheidungsurteil vom 24. März 1993 dürfe nicht auf seine inhaltliche Richtigkeit überprüft werden. Entscheidend sei einzig, dass die Vereinbarung rechtskräftig genehmigt und damit Teil des Scheidungsurteils vom 24. März 1993 geworden sei. Dieses sei unabhängig von allfälligen Formmängeln der Vereinbarung zu vollstrecken. Nichtig sei das Scheidungsurteil vom 24. März 1993 sicher nicht.
In rechtlicher Hinsicht war die Beschwerde folglich von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Das Bundesgericht machte denn auch mit der Beschwerde kurzen Prozess.
Der Fall zeigt einmal mehr deutlich auf, dass rechtzeitige rechtliche Beratung Gold wert sein kann. Vorliegend hätte man die Ex-Frau wohl relativ einfach ausbooten können. Der Ehemann hätte seiner Ehefrau zu Lebzeiten sein gesamtes Vermögen im Rahmen einer Schenkung überschreiben sollen. Nach dem Tod des Ehemanns hätte dann seine Ehefrau die Erbschaft ausgeschlagen (Art. 566 ff. ZGB). Der mit dem Unterhaltsanspruch belastete Nachlass wäre dann durch das Konkursamt liquidiert worden (Art. 573 Abs. 1 ZGB). Die Unterhaltsanspruch der Ex-Frau wäre dann mangels Erben nicht mehr durchsetzbar gewesen bzw. der Anspruch wäre untergegangen.
Im Übrigen geht mir das Mitleid mit der armen Witwe völlig ab, denn offensichtlich handelt es sich bei ihr um eine sehr vermögende Frau vom Zürichberg, welche den Unterhalt auch weiterhin locker aus der Portokasse bezahlen kann.