Der gierige Verteidiger

Mit der Bestellung als amtliche Verteidigung wird ein öffentlich-rechtliches Verhältnis zwischen dem amtlichen Verteidiger und dem Kanton begründet.

Der Inhalt dieses öffentlichen-rechtlichen Verhältnisses wird insbesondere durch den Leitfaden „Amtliche Mandate“ der Oberstaatsanwaltschaft bzw. der Oberjugendstaatsanwaltschaft konkretisiert. In diesem Leitfaden wird ausführlich erläutert, was für Aufwendungen entschädigt werden oder was für Spesen abgerechnet werden können. In Bezug auf die Höhe der Entschädigung gilt sich Folgendes:

6.4.3. Stundensatz

Der Stundenansatz für amtliche Mandate beträgt grundsätzlich Fr. 220.– (§ 3 Anw-GebV) für Leistungen, bei MwSt-Pflicht zuzüglich 8.1%).

Für geleistete Arbeiten anlässlich von Einvernahmen oder Verhandlungen, welche an Sonn- und Feiertagen oder nachts (ab 20.00 Uhr) stattfinden, beträgt der Stundenansatz der amtlichen Verteidigungen Fr. 240.– (statt Fr. 220.–). Hingegen erfolgt keine erhöhte Entschädigung für Arbeit am Samstag.

In rechtlich besonders anspruchsvollen Fällen, d.h. etwa in juristisch komplexen Wirtschaftsstraffällen (nicht bloss medienträchtige Fälle und/oder Fallführung durch besondere Staatsanwaltschaft), in denen eine diesbezüglich spezialisierte Person mit der Verteidigung betraut wird, beträgt der Tarif Fr. 240.– (statt Fr. 220.–).

Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten mit Kenntnissen seltener Sprachen (nicht Italienisch, Französisch, Englisch, Spanisch) wird ein Ansatz von Fr. 240.– (statt Fr. 220.–) für Bemühungen gewährt, wenn dadurch Übersetzungskosten eingespart werden (ohne Dolmetscher stattfindende Instruktionsgespräche, Korrespondenz etc.).
(…)
6.4.7 Verbot der Doppelzahlung

Der amtlichen Verteidigung ist es nicht gestattet, zusätzlich zur staatlichen Entschädigung noch ein privates Honorar von der beschuldigten Person oder deren Familie zu verlangen bzw. freiwillig offerierte Zahlungen entgegenzunehmen. Da die Entschädigung im Kanton Zürich als voll zu betrachten ist, besteht kein Raum für die Geltendmachung einer Differenz. Das gilt auch, wenn der amtlichen Verteidigung gewisse Bemühungen nicht entschädigt werden, weil sie nicht notwendig waren.
(…)

Die Rechtslage ist sonnenklar. Da die amtliche Verteidigung öffentlich-rechtlicher Natur ist, besteht kein Raum für eine private Vereinbarung mit dem Mandanten über zusätzliches Honorar. Insbesondere kann der amtliche Verteidiger mit dem Mandanten nicht abmachen, dass er ihm die Differenz zwischen dem amtlichen und dem privaten Stundenansatz schuldet. Selbst wenn im Rahmen einer Wahlverteidigung CHF 450 pro Stunde verlangt werden könnte, was ein horrendes Honorar wäre, beträgt das Honorar bei einer amtlichen Verteidigung CHF 220 pro Stunde.

Trotz der eindeutigen Rechtslage ist in einem Urteil des Bundesgerichts vom 28. März 2024 (2C_340/2023) Folgendes zu lesen:

A. Zwischen Februar 2019 und Ende 2021 vertrat Rechtsanwalt A.________ im Rahmen eines Strafverfahrens B.________ als amtlicher Verteidiger. Am 20. Dezember 2020 schloss er mit ihm eine Honorarvereinbarung ab. Demgemäss ist B.________ verpflichtet, seinem Rechtsvertreter die „Differenz zwischen den durch die Staatskasse gekürzt ausgezahlten Entschädigungen und den notierten Bruttostunden, die für die amtliche Verteidigung zum amtlichen Stundensatz von je CHF 220.– aufgewendet wurden“ zu bezahlen. Gemäss Feststellungen der kantonalen Behörden belief sich dieser Differenzbetrag am Ende des Vertretungsverhältnisses auf rund Fr. 50’000.–.

B. Auf Anzeige von B.________ sowie des Obergerichts des Kantons Zürich eröffnete die Aufsichtskommission über die Anwältinnen und Anwälte des Kantons Zürich (im Folgenden: Aufsichtskommission) am 2. Dezember 2021 ein Disziplinarverfahren gegen A.________. Mit Entscheid vom 6. Oktober 2022 sanktionierte sie ihn wegen Verletzung von Berufsregeln (Art. 12 lit. a des Bundesgesetzes vom 23. Juni 2000 über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte [BGFA; SR 936.61]) mit einer Busse von Fr. 4’000.–. Die dagegen von A.________ geführte Beschwerde an das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich war erfolglos; dieses bestätigte mit Urteil vom 30. März 2023 den Entscheid der Aufsichtskommission.

Das Bundesgericht zog Folgendes in Erwägung:

6.1. Nach Art. 12 lit. a BGFA haben Anwältinnen und Anwälte „ihren Beruf sorgfältig und gewissenhaft“ auszuüben. Diese Verpflichtung hat für die gesamte Berufstätigkeit Geltung und erfasst neben der Beziehung zum eigenen Klienten sowohl die Kontakte mit der Gegenpartei als auch jene mit den Behörden (BGE 144 II 473 E. 4.1; Urteil 2C_507/2019 vom 14. November 2019 E. 5.1.1 mit Hinweisen).

6.2. Übernehmen Anwältinnen und Anwälte eine amtliche Verteidigung im Sinn von Art. 132 StPO, erfüllen sie eine staatliche Aufgabe. Mit ihrer Einsetzung entsteht zwischen ihnen und dem Staat ein besonderes Rechtsverhältnis. Gestützt darauf hat die amtliche Verteidigung eine öffentlich-rechtliche Forderung gegen den Staat auf Entschädigung im Rahmen der anwendbaren kantonalen Bestimmungen (BGE 141 I 124 E. 3.1). Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte erhalten in ihrer amtlichen Funktion einerseits das tariflich festgelegte Honorar und tragen nicht das Risiko der Uneinbringlichkeit. Andererseits können sie von der amtlich vertretenen Person im Grundsatz keine weitere Vergütung verlangen (BGE 139 IV 261 E. 2.2.1; zu den Ausnahmen E. 6.5.4 hiernach; vgl. auch [für die unentgeltliche Rechtspflege] BGE 122 I 322 E. 3b; 108 Ia 11 E. 1). Verstösst die amtliche Verteidigung gegen diesen Grundsatz, macht sie sich disziplinarrechtlich verantwortlich (BGE 122 I 322 E. 3b; Urteil 2C_250/2021 vom 3. November 2021 E. 4.3).

6.3. Die Vorinstanz kam zum Ergebnis, die Honorarvereinbarung vom 20. Dezember 2020 könne nach ihrem Wortlaut und dem Zusammenhang sowie den gesamten Umständen nach Treu und Glauben nicht anders ausgelegt werden, als dass damit jener Aufwand des Beschwerdeführers erfasst und abgegolten werden solle, der im Rahmen der amtlichen Verteidigung angefallen, aber − aufgrund einer Kürzung durch die Verfahrensleitung − nicht staatlich abgegolten werde. Es sei daher davon auszugehen, der Beschwerdeführer habe sich privates Honorar für die Aufwendungen als amtlicher Verteidiger versprechen lassen. Gestützt auf die dargelegte Rechtsprechung (E. 6.2 hiervor) schloss die Vorinstanz auf eine Verletzung von Art. 12 lit. a BGFA.

6.4. In einer teils schwer verständlichen Argumentation wirft der Beschwerdeführer der Vorinstanz vor, die Tragweite der Honorarvereinbarung vom 20. Dezember 2020 zu verkennen. Zweck dieser Übereinkunft sei gewesen, „prozessfremde“ Aufwendungen zu entschädigen. Dies hätten der Beschwerdeführer und B.________ tatsächlich damit gemeint. Zudem habe der Beschwerdeführer eine Fülle von Aufgaben für seinen Mandanten wahrgenommen. Dieser habe ein „insistierendes“ Verhalten an den Tag gelegt. Vor diesem „subjektiven und objektiven Hintergrund“ sei die umstrittene Vereinbarung zu Stande gekommen. Der Beschwerdeführer und sein Mandant hätten einen „pragmatischen, zielführenden und fairen“ Ansatz gefunden, um prozessfremde und andere Leistungen auseinanderzuhalten. Retrospektiv betrachtet hätte der Zweck der Vereinbarung allerdings anders umschrieben werden können, um Missverständnisse zu verhindern.

6.4.1. Soweit die Vorinstanz einen natürlichen Konsens zwischen dem Beschwerdeführer und B.________ in Bezug auf die Tragweite der Honorarvereinbarung vom 20. Dezember 2020 feststellte, handelt es sich um eine Tatfrage, die das Bundesgericht nicht frei überprüft (Urteile 4A_401/2019 vom 9. Dezember 2019 E. 3.1; 4A_659/2017 vom 18. Mai 2018 E. 4.1). Die seitens des Beschwerdeführers daran geübte Kritik genügt den Begründungsanforderungen nicht (vgl. E. 4.2 hiervor). Nicht nachvollziehbar ist, weshalb − wie vom Beschwerdeführer vorgebracht − es praktisch nicht möglich gewesen sein soll, den nicht mit dem Strafverfahren zusammenhängenden Aufwand von diesem abzugrenzen. Die vom Beschwerdeführer geltend gemachten weiteren anwaltlichen Bemühungen (z.B. Weiterführung der Geschäftstätigkeit für B.________ bei Baugesuchen und Immobiliengeschäften, Unterstützung und Beratung im Zusammenhang mit der Organisation von Demonstrationen und der Einholung der entsprechenden Bewilligungen) hängen sachlich nicht mit dem Strafverfahren zusammen. Ihre Vergütung hätte dementsprechend losgelöst von der amtlichen Verteidigung geregelt werden können. Die vorinstanzliche Beurteilung der tatsächlichen Rahmenbedingungen der strittigen Honorarvereinbarung ist daher nicht zu beanstanden; ebenso wenig ist es ihre Folgerung, die Parteien hätten in tatsächlicher Hinsicht vereinbart, dass B.________ dem Beschwerdeführer über die amtliche Entschädigung hinaus ein privates Honorar ausrichtet.

6.4.2. Die Vorinstanz beurteilte die Tragweite der Honorarvereinbarung vom 20. Dezember 2020 überdies nach Treu und Glauben. Diese objektivierte Auslegung von Willenserklärungen überprüft das Bundesgericht als Rechtsfrage, wobei es an die Feststellungen des kantonalen Gerichts über die äusseren Umstände sowie das Wissen und Wollen der Beteiligten grundsätzlich gebunden ist (BGE 146 V 28 E. 3.2). Der Inhalt eines Vertrags bestimmt sich in erster Linie nach dem übereinstimmenden tatsächlichen Willen der Parteien (Art. 18 Abs. 1 OR). Bleibt dieser unbewiesen, ist in Anwendung des Vertrauensprinzips massgebend, wie eine Erklärung nach ihrem Wortlaut und im Zusammenhang sowie aufgrund der gesamten Umstände verstanden werden durfte und musste (BGE 143 III 157 E. 1.2.2; 141 V 127 E. 3.1; 138 III 659 E. 4.2.1; je mit Hinweisen). Die Auslegung der Vorinstanz entspricht diesen Grundsätzen. Tatsächlich lässt sich der Wortlaut der Vereinbarung vom 20. Dezember 2020 nur im Sinn der Vorinstanz deuten. Der Beschwerdeführer bringt nichts vor, was diese Auslegung als bundesrechtswidrig erscheinen lässt.

6.4.3. Demnach ist mit der Vorinstanz die Vereinbarung vom 20. Dezember 2020 so zu verstehen, dass der Beschwerdeführer für Verrichtungen als amtlicher Verteidiger zusätzlich zur staatlichen Entschädigung hätte vergütet werden sollen.

Das Verwaltungsgericht führte in seinem Urteil vom 30. März 2023 (VB.2022.00741) Folgendes aus:

4.1 Den vorliegend in Frage stehenden Verstoss gegen Art. 12 lit. a BGFA begründete die Vorinstanz zusammengefasst damit, dass Anwälte, die als amtliche Verteidiger bestellt seien, nach langjähriger Praxis der Aufsichtsbehörden nicht befugt seien, neben der staatlichen Entschädigung ein zusätzliches Honorar von ihren Klienten zu verlangen; das Bundesgericht habe diese Praxis explizit auch mit Blick auf das Inkrafttreten von Art. 135 Abs. 4 lit. b StPO bestätigt, sodass der Beschwerdeführer aus dieser Bestimmung nichts für sich ableiten könne. Wer als amtlicher Verteidiger entgegen der Vorgaben zusätzliches Honorar von seinem Klienten verlange, handle unsorgfältig im Sinn von Art. 12 lit. a BGFA. Dies gelte selbst dann, wenn der amtlichen Verteidigung gewisse Bemühungen nicht entschädigt würden, weil sie aus Sicht der Verfahrensleitung nicht notwendig gewesen seien; eine Ausnahme gelte nur insoweit, als die amtliche Verteidigung zusätzlich zu den staatlich abgegoltenen Tätigkeiten prozessfremde Aufgaben für den Klienten erfülle – solche Tätigkeiten dürften zusätzlich verrechnet werden. Eine solche Ausnahmekonstellation sei vorliegend indessen nicht gegeben: Aus der Honorarvereinbarung vom 15. Dezember 2020, auf die das vorliegende Verfahren zurückgehe, ergebe sich unmissverständlich, dass B den Beschwerdeführer privat für Bruttostunden hätte entschädigen sollen, die für die amtliche Verteidigung zum amtlichen Stundenansatz von je Fr. 220.– aufgewendet worden seien, infolge Honorarkürzungen aber nicht aus der Staatskasse bezahlt würden. Von prozessfremden Aufwendungen sei in der Vereinbarung keine Rede; derartige Aufgaben würden dort nicht einmal angedeutet. Aufgrund der Aktenlage sei mithin offenkundig, dass sich der Beschwerdeführer mit der Honorarvereinbarung vom 15. Dezember 2020 von B ein privates Honorar für die Aufwendungen als amtlicher Verteidiger habe versprechen lassen, die ihm zufolge Kürzungen der Honorarnote durch das Gericht nicht vom Staat entschädigt würden. Der Abschluss dieser Vereinbarung habe gegen die Pflicht zur sorgfältigen und gewissenhaften Berufsausübung gemäss Art. 12 lit. a BGFA verstossen (vgl. zum Ganzen Ziffer III.B.1–III.B.10 des angefochtenen Beschlusses).

4.2 Unter Sachverhaltsaspekten rügt der Beschwerdeführer, die Aufsichtskommission habe den Sinn und Zweck der Honorarvereinbarung vom 15. Dezember 2020 verkannt. Die Honorarvereinbarung beziehe sich ausschliesslich auf die Fülle der „prozessfremden“ Aufwendungen, die er für B ausserhalb der amtlichen Verteidigung erbracht habe, und die daher zusätzlich in Rechnung gestellt werden dürften; weil B und er davon ausgegangen seien, dass eine Unterscheidung zwischen prozessfremdem und prozessbezogenem Aufwand extrem schwierig sein werde, habe man eine pragmatische, einfache und gut verständliche Lösung getroffen.

Diese Einwände überzeugen nicht. In der Honorarvereinbarung vom 15. Dezember 2020 verpflichtete sich B gegenüber dem Beschwerdeführer zur Zahlung der „Differenz zwischen den durch die Staatskasse gekürzt ausgezahlten Entschädigungen und den notierten Bruttostunden, die für die amtliche Verteidigung zum amtlichen Stundensatz von je CHF 220.– aufgewendet wurden“ (vgl. schon Ziffer I.A. hiervor). Die Vereinbarung kann nach ihrem Wortlaut und Zusammenhang sowie den gesamten Umständen nach Treu und Glauben nicht anders ausgelegt werden, als dass damit jener Aufwand des Beschwerdeführers erfasst (und abgegolten) werden sollte, der im Rahmen der amtlichen Verteidigung angefallen, aber – aufgrund einer Kürzung durch die Verfahrensleitung – nicht staatlich abgegolten wurde (bzw. abgegolten würde). Diese Lesart ergibt sich schon daraus, dass sich die Vereinbarung ausdrücklich auf „die für die amtliche Verteidigung notierten Bruttostunden“ bezieht, und wird ferner dadurch bestätigt, dass in der Vereinbarung auf die „Differenz“ (zwischen gerichtlich anerkanntem und nicht anerkanntem Aufwand) Bezug genommen wird; eine solche Differenz kann zum Vornherein nur hinsichtlich des mit der amtlichen Verteidigung verbundenen Aufwands entstehen, ist doch offensichtlich, dass prozessfremder Aufwand nicht im Rahmen einer amtlichen Verteidigung abgerechnet werden darf. Der vom Beschwerdeführer vertretenen Auslegung, die Vereinbarung erfasse nur prozessfremden Aufwand, kann deshalb nicht gefolgt werden. Wenig überzeugend ist auch die Behauptung, die Abgrenzung des prozessfremden vom prozessbezogenen Aufwand habe sich vorliegend als schwierig erwiesen; die vom Beschwerdeführer diesbezüglich ins Feld geführten Tätigkeiten (u.a. Weiterführung der Geschäftstätigkeit von B bei Baugesuchen und Immobiliengeschäften, Unterstützung und Beratung im Zusammenhang mit der Organisation von Demonstrationen und Einholen der entsprechenden Bewilligungen; vgl. Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 11. Oktober 2021 zum Antrag von B auf Wechsel der amtlichen Verteidigung) weisen nämlich ganz offensichtlich keinerlei Bezug zum amtlichen Mandat auf und wären ohne Weiteres einer Vereinbarung zugänglich gewesen, in welcher die Aufwendungen, die im Rahmen des amtlichen Mandats angefallen sind, klar vom prozessfremden Aufwand getrennt worden wären.

Aufgrund vorstehender Erwägungen ist mit der Vorinstanz davon auszugehen, dass sich der Beschwerdeführer mit der Honorarvereinbarung vom 15. Dezember 2020 von B ein privates Honorar für die Aufwendungen als amtlicher Verteidiger versprechen liess.

4.3 In rechtlicher Hinsicht vertritt der Beschwerdeführer die Auffassung, dass es keine gesetzliche Grundlage dafür gebe, amtlichen Verteidigern zu verbieten, von ihren Mandanten „zusätzliches Honorar“ zu verlangen. Die von der Aufsichtskommission zitierte Bundesgerichtspraxis zum berufsrechtlichen Verbot eines solchen „zusätzlichen Honorars“ sei bundesrechtswidrig; das Bundesgericht habe sich damit über seine Kompetenzen hinweggesetzt und sei gesetzgeberisch tätig geworden. Zutreffend sei, dass gemäss Art. 135 Abs. 4 lit. b StPO auch im Rahmen einer amtlichen Verteidigung Honorarvereinbarungen mit der Mandantschaft möglich seien.

Soweit sich vorstehend wiedergegebene Einwendungen überhaupt auf den – vorliegend in Frage stehenden (vgl. E. 4.2 hiervor) – Aufwand des Beschwerdeführers als amtlicher Verteidiger beziehen, vermögen sie nicht zu überzeugen: Nach ständiger, jüngst vom Bundesgericht (erneut) bestätigter Praxis der Aufsichtsbehörden, ist es dem amtlichen Verteidiger berufsrechtlich (Art. 12 lit. a BGFA) untersagt, vom Klienten zusätzlich zur Entschädigung aus der Staatskasse ein Honorar einzufordern (vgl. BGE 122 I 322 E. 3b; BGr, 3. November 2021, 2C_250/2021, E. 4.3; BGr, 26. September 2005, 2A.196/2005, E. 2.3; Beschluss der Aufsichtskommission des Kantons Zürich vom 5. Februar 2015, KG140013-O, Ziffer III.3 f., in: SJZ 113/2017, S. 477 ff., S. 483; Beschluss der Anwaltskammer des Kantons St. Gallen vom 29. April 2014, in: GVP 2014 Nr. 74A, Ziffer II.2). Daran ändert auch der vom Beschwerdeführer angerufene Art. 135 Abs. 4 lit. b StPO nichts, zumal eine auf diese Bestimmung gestützte Rückforderung in jedem Fall einen Entscheid des zuständigen Gerichts voraussetzt (Niklaus Ruckstuhl in: Marcel Alexander Niggli/Marianne Heer/Hans Wiprächtiger [Hrsg.], Basler Kommentar StPO/JStPO, 2. A., Basel 2014, Art. 135 StPO N. 23 und N. 24a; Maurice Harari/Raphaël Jakob/Soile Santamaria in: Yvan Jeanneret/André Kuhn/Camille Perrier Depeursinge [Hrsg.], Commentaire Romand Code de procédure pénale suisse, 2. A., Basel 2019, N. 29; je m.w.H.). Im Kanton Zürich kommt hinzu, dass der für den amtlichen Verteidiger übliche Stundenansatz von Fr. 220.- in Standardfällen ohnehin als volles Honorar zu betrachten ist, womit zum Vornherein kein Raum für die Geltendmachung eines Differenzbetrags im Sinn von Art. 135 Abs. 4 lit. b StPO besteht (vgl. Viktor Lieber in: Andreas Donatsch/Viktor Lieber/Sarah Summers/Wolfgang Wohlers [Hrsg.], Kommentar StPO, 3. A., Zürich 2020, Art. 135 N. 22), weil ohnehin nicht von einer Differenz zu den für „freie Mandate“ vorgesehenen Honoraren besteht (vgl. zu letzterer – z.B. im Kanton St. Gallen bestehenden – Konstellation BGE 141 I 124 E. 3.2).

Dass der Beschwerdeführer sich von B mit der Vereinbarung vom 15. Dezember 2020 ein privates Honorar für seine Aufwendungen als amtlicher Verteidiger versprechen liess, verstösst nach dem Gesagten gegen Art. 12 lit. a BGFA.
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5.3 Die Vorinstanz stufte das Verschulden des Beschwerdeführers als schwer ein. Es stützte dies darauf, dass der Beschwerdeführer beim Abschluss der Honorarvereinbarung vom 15. Dezember 2020 ausschliesslich seinen eigenen finanziellen Vorteil im Auge gehabt habe, und sich von seinem Mandanten ein Honorar für Verteidigungsarbeiten habe versprechen lassen, die vom Gericht als nicht gerechtfertigt eingestuft worden seien; der nachzuzahlende Betrag für die – aus Sicht des Gerichts nicht entschädigungswürdigen – Aufwendungen habe sich dabei auf rund Fr. 50’000.- belaufen. Diese Umstände liessen es als angezeigt erscheinen, eine Busse im mittleren Bereich des Bussenrahmens auszufällen. Im kantonalen Anwaltsregister seien zwar keine (rechtskräftigen) disziplinarischen Massnahmen gegen den Beschwerdeführer verzeichnet; anzulasten sei ihm jedoch, dass es ihm an jeglicher Einsicht und Reue fehle, er trotz offenkundiger Rechts- und Faktenlage versucht habe, sein Fehlverhalten zu rechtfertigen und er gleichzeitig deutlich gemacht habe, in einer gleichgelagerten Situation auch in Zukunft wieder gleich zu handeln. Eine Busse von Fr. 4’000.- erscheine vor diesem Hintergrund angemessen..

Es ist nicht selten, dass sich aus einer amtlichen Verteidigung Nachfolgemandate ergeben. Zum Beispiel bei Fällen von häuslicher Gewalt kommt es häufig zu Eheschutzverfahren. Der amtliche Verteidiger kann solch ein Mandant zusätzlich übernehmen, allerdings handelt es sich dabei um ein von der amtlichen Verteidigung vollkommen unabhängiges Verfahren. Das bedeutet, dass eine Bevollmächtigung notwendig ist, allenfalls eine Bestellung als unentgeltlicher Rechtsvertreter. Vor allem ist die Rechnungsstellung im neuen Verfahren vollkommen von der Rechnungsstellung in der amtlichen Verteidigung getrennt. Das war offensichtlich im vorliegenden Fall ein Problem. Schliesslich versuchte sich der amtliche Verteidiger, wenig nachvollziehbar übrigens, herauszureden, denn die angebliche Einfachheit ist ein Scheinargument. Jeder Anwalt muss in der Lage sein, gleichzeitig mehrere separate Aufwandzusammenstellungen in Bezug auf die gleiche Person zu führen, und wenn nicht, ist er für den Job nicht geeignet.

Was der genaue Inhalt der besagten Honorarvereinbarung gewesen ist, ist wenig klar, wenn man den konkreten Text nicht kennt. Es scheint aber so, dass sich der amtliche Verteidiger die Differenz zwischen dem Honorar der amtlichen Verteidigung und dem möglichen Honorar einer Wahlverteidigung sichern wollte. Nur so ist es nachvollziehbar, dass ein Differenzbetrag von CHF 50‘000.− zustande gekommen ist. Offensichtlich stellte der Verteidiger seine eigenen finanziellen Interessen über die Interessen seines Mandanten. Mit anderem Worten fasste der amtliche Verteidiger seinen Mandanten als unbedarfte Cash Cow auf, bei der man sich schamlos bedienen kann. Folglich handelt es sich um einen Fall von Abzocke. Darum wurde der amtliche Verteidiger schliesslich wegen Verletzung von Berufspflichten gebüsst.

Abschliessend muss nochmals wiederholt werden, dass die amtliche Verteidigung kein zusätzliches Honorar von seinem Mandanten verlangen kann. Das Honorar der amtlichen Verteidigung wird einzig über die Staatsanwaltschaft oder über das zuständige Gericht abgerechnet.