Wenn die KESB über die Impfung entscheidet

1. Uneinige Kindeseltern
BGE vom 16. Juni 2020 (BGE 146 III 313)

Sind die sorgeberechtigten Eltern darüber entzweit (vgl. Art. 301 Abs. 1 ZGB), ob ihr Kind gegen die Masern geimpft werden soll, hat die zuständige Behörde gestützt auf Art. 307 Abs. 1 ZGB in pflichtgemässer Ausübung ihres Ermessens anstelle der Eltern über die Durchführung dieser Massnahme zum Schutz der Gesundheit des Kindes zu entscheiden. Von den Empfehlungen des Bundesamtes für Gesundheit darf die Behörde nur abweichen, wenn sich die Masernimpfung aufgrund der besonderen Umstände des konkreten Falls nicht mit dem Kindeswohl verträgt (E. 4 und 6).

Zu diesem Urteil vergleiche den Beitrag vom 15. Juli 2020 sowie den Beitrag vom 30. März 2023.

In diesem Fall erfolgte der Entscheid nicht durch die KESB, sondern durch Gerichte im Rahmen eines Scheidungsverfahrens. Später beschäftigte sich die KESB im Rahmen eines Kindesschutzverfahrens mit der Impfung.

2. Die impfkritische Mutter und ihr fremdplatzierter Sohn
BGE vom 6. Juli 2023 (5A_310/2023) (Vorinstanz: PQ230003-O)

Sachverhalt:

A. A.A.________ (geb. 1974) ist Mutter eines Sohnes namens B.A.________ (geb. 30. März 2019). Das Kind untersteht ihrer elterlichen Sorge. Mit Beschlüssen vom 24. April und 6. Mai 2019 errichtete die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde Bezirk Horgen (im Folgenden: KESB) für B.A.________ eine Beistandschaft nach Art. 308 Abs. 1 ZGB, entzog der Mutter gestützt auf Art. 310 Abs. 1 ZGB das Aufenthaltsbestimmungsrecht und platzierte B.A.________ in einer Pflegefamilie. A.A.________ ist zur Zeit berechtigt, B.A.________ an zwei Tagen in der Woche jeweils maximal zwei Stunden im Beisein einer Fachperson zu besuchen.
(…)
C.a. Mit Schreiben vom 4. Januar 2022 wandte sich B.A.________s neuer Beistand an die KESB und beantragte, die elterliche Sorge der Mutter einzuschränken und ihn zu beauftragen, bei B.A.________ gemäss dem Impfplan des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) die klassischen Basisimpfungen durchzuführen. Er begründete den Antrag damit, dass B.A.________ aufgrund der ablehnenden Haltung der Mutter keine der gängigen Impfungen erhalten habe, und legte ein Schreiben der behandelnden Kinderärztin vom 2. Juni 2021 bei, wonach die Impfungen gemäss schweizerischem Impfplan für B.A.________s gesundheitliches Wohl dringend erforderlich seien. Am 31. Januar 2022 wurde A.A.________ von der KESB angehört. Mit Schreiben vom 10. Februar 2022 erklärte A.A.________ ihr Einverständnis mit der Impfung gegen Diphterie, Tetanus und Pertussis (Dreifachimpfung DTP). Am 4. März 2022 informierte der Beistand darüber, dass B.A.________ die DTP-Impfung erhalten habe und die Impfungen gegen Masern, Mumps, Röteln und Kinderlähmung ausstehend seien. Die Pflegeeltern erklärten mit Telefonat bzw. E-Mail vom 24. März 2022, die Impfungen zu unterstützen.

C.b. Am 5. April 2022 fällte die KESB ihren Beschluss. Sie erweiterte den Aufgabenkatalog des Beistandes, beauftragte diesen, für die Durchführung der klassischen Basisimpfungen bei B.A.________ gemäss Impfplan des BAG besorgt zu sein, und schränkte diesbezüglich A.A.________s elterliches Sorgerecht ein.

Das Bundesgericht gab zunächst den Standpunkt des Obergerichts wieder:

3.1. Ausgangspunkt des angefochtenen Entscheids ist die Frage, ob B.A.________s Wohl im Sinne von Art. 307 Abs. 1 ZGB gefährdet ist, wenn eine behördliche Massnahme zur Durchsetzung der noch ausstehenden Basisimpfungen unterbleibt. Das Obergericht zitiert aus BGE 146 III 313, der von Eltern handle, die sich über die Masernimpfung ihrer gemeinsamen Kinder uneinig waren. Das Bundesgericht verweise auf die gesundheitlichen Risiken und Gefahren, denen ein Kind ohne Impfschutz ausgesetzt sei, und schliesse daraus, dass ein Anwendungsfall von Art. 307 Abs. 1 ZGB vorliege, so dass die zuständige Behörde anstelle der Eltern zu entscheiden und sich dabei grundsätzlich an den Empfehlungen des BAG zu orientieren habe. Anschliessend beschreibt das Obergericht die Infektionskrankheiten, gegen die B.A.________ noch nicht geimpft wurde (Kinderlähmung, Mumps, Masern und Röteln), bzw. deren Konsequenzen und Komplikationen. Wie das Bundesgericht mit Bezug auf Masern ausgeführt habe, würden die gesundheitlichen Risiken und Gefahren, denen ein Kind ohne Impfschutz ausgesetzt ist, einen elterlichen oder (ersatzweise) behördlichen Entscheid zum Schutz des Kindeswohls erfordern. Dem Argument der Beschwerdeführerin, dass es in der Schweiz keinen Impfzwang bzw. kein gesetzliches Impfobligatorium gebe, hält das Obergericht unter Hinweis auf BGE 146 III 313 entgegen, dass sich allein nach Massgabe der privaten Situation des Kindes bestimme, ob das Kindeswohl im Sinne von Art. 307 Abs. 1 ZGB gefährdet ist. Der Entscheid, ein Kind unter den konkreten Umständen zu impfen, sei nicht mit der allgemeinen Impfpflicht gleichzusetzen.

3.2. Hauptsächlich befasst sich das Obergericht in der Folge mit dem Einwand, dass Art. 307 Abs. 1 ZGB nur anwendbar sei und sich ein Einschreiten der Kindesschutzbehörde einzig dann rechtfertige, wenn die sorgeberechtigten Eltern in der Frage der Impfung entzweit sind. BGE 146 III 313 weise darauf hin, dass unter Umständen zum Schutz des Kindes die elterliche Entscheidzuständigkeit derogiert werden muss, lasse aber offen, unter welchen Voraussetzungen dies der Fall ist. Das Obergericht wiederholt, dass angesichts der gesundheitlichen Gefahren und Risiken, die ein Verzicht auf den Impfschutz mit sich bringe, eine Gefährdung des Kindeswohls zu bejahen sei. Dies sei namentlich auch zu betonen, soweit die Beschwerdeführerin ihre eigene persönliche Freiheit hervorstreiche. Diese stehe hier nicht im Zentrum; oberste Maxime des Kindesrechts sei das Kindeswohl. An B.A.________s Bedürfnis und Anspruch auf Schutz seiner Gesundheit ändere auch nichts, dass es hier nicht um eine Pattsituation zwischen zwei sorgeberechtigten Eltern gehe. Sodann sei zu berücksichtigen, dass B.A.________s spezifische Situation „mindestens so sehr eine behördliche Entscheidung verlange wie ein Patt der Eltern“. Schon unmittelbar nach der Geburt habe B.A.________ zu seinem Schutz bei Pflegeeltern untergebracht werden müssen; dies werde sich voraussichtlich auch in Zukunft nicht ändern. Die Pflegeeltern nähmen an der elterlichen Sorge für B.A.________ teil, ohne dass ihnen formell das Sorgerecht zukomme; sie würden sich um ihn kümmern und seine tägliche Erziehung wahrnehmen. Das Besuchsrecht der Beschwerdeführerin sei bis heute auf zwei zweistündige begleitete Besuche pro Woche beschränkt. Unter diesen Umständen sei die Meinung der Pflegeeltern, die sich wie der Beistand und der Kindesverfahrensvertreter deutlich für die Impfungen ausgesprochen hätten, angemessen mitzuberücksichtigen.

Dann hielt das Bundesgericht fest, dass dem Standpunkt des Obergerichts nicht gefolgt werden könne. Nur weil eine empfohlene Impfung nicht gemacht werde, liege noch keine Kindeswohlverletzung vor:

6.2.1. (…)
In BGE 146 III 313 liess das Bundesgericht ausdrücklich offen, unter welchen Voraussetzungen sich die zuständige Behörde zum Schutz des Kindes über eine von beiden sorgeberechtigten Eltern getroffene Entscheidung, ihr Kind nicht gegen die Masern zu impfen, hinwegsetzen könnte, denn zur Beurteilung stand der Fall, da die Eltern über die Durchführung dieser Impfung entzweit waren (BGE a.a.O. E. 6.2.3). (…)
(…)
6.3.1. Das Obergericht missdeutet die in BGE 146 III 313 publizierte Rechtsprechung, wenn es die Gefährdung des Kindeswohls im Sinne von Art. 307 Abs. 1 ZGB gestützt auf diesen Leitentscheid allein schon wegen der gesundheitlichen Gefahren und Risiken bejaht, denen ein Kind ohne Impfschutz ausgesetzt ist. Zu Recht insistiert die Beschwerdeführerin, dass das Bundesgericht im zitierten Urteil den Grund für die Anwendung von Art. 307 Abs. 1 ZGB darin sieht, dass die sorgeberechtigten Eltern über die Durchführung der Impfung, die als Massnahme zum Schutz der Kinder einen elterlichen Entscheid erfordert, nicht eins werden können. Entgegen dem, was der angefochtene Entscheid suggeriert, sind die gesundheitlichen Risiken und Gefahren einer Masernerkrankung also nicht der Grund, der (direkt) dazu führt, dass eine Gefährdung des Kindeswohls zu bejahen ist. Die besagten Risiken und Gefahren sind vielmehr der Grund, weshalb das anhaltende Unvermögen der Eltern, in der Impffrage einen Konsens zu finden, nicht hingenommen werden kann: Die Blockade in der Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge betrifft eine gesundheitliche Angelegenheit, die einen Entscheid erfordert. Darin − und nur darin − liegt die Gefährdung des Kindeswohls (s. oben E. 6.2.1). Soweit das Obergericht die Gefährdung des Kindeswohls und in der Folge den behördlichen Eingriff in das elterliche Sorgerecht der Beschwerdeführerin schon mit den gesundheitlichen Gefahren und Risiken erklärt, denen B.A.________ ohne Impfschutz ausgesetzt wäre, taugen seine diesbezüglichen Erwägungen nicht dazu, den angefochtenen Entscheid bundesrechtskonform zu begründen. Anders zu entscheiden hätte letztlich zur Folge, dass die Kindesschutzbehörde die vom BAG empfohlenen Basisimpfungen immer dann anordnen müsste, wenn sie davon erfährt, dass die Impfungen von den gemeinsam sorgeberechtigten Eltern übereinstimmend oder vom allein sorgeberechtigten Elternteil abgelehnt werden. Ein solcher Wille ist aber grundsätzlich zu respektieren (BGE 146 III 313 E. 6.2.3).

Wegen der besonderen Umstände des Einzelfalles (Fremdplatzierung) fand das Bundesgericht die Einschränkung der elterlichen Sorge der Kindesmutter dennoch gerechtfertigt:

6.3.2. Das Obergericht begründet seinen Entscheid auch damit, dass B.A.________ im Rahmen von Kindesschutzmassnahmen schon unmittelbar nach seiner Geburt bei Pflegeeltern untergebracht wurde und sich an dieser Situation auf absehbare Zeit auch nichts ändern werde. Diese spezifische Situation verlange in der Impffrage mindestens so sehr eine behördliche Entscheidung wie ein Patt zwischen gemeinsam sorgeberechtigten Eltern (E. 3.2). Die Versuche der Beschwerdeführerin, auch diese Begründung des angefochtenen Entscheids zu Fall zu bringen, müssen scheitern. So ist nicht ersichtlich, inwiefern das Obergericht entscheidwesentlich darauf abstellt, dass ein fehlender Impfschutz bzw. allfällige Infektionen das Pflegeverhältnis belasten könnten, wie dies − der Beschwerde zufolge − vom Beistand geltend gemacht worden sein soll. Die Mutmassungen der Beschwerdeführerin, dass die Pflegeeltern ihrer Rolle nicht gewachsen sein könnten bzw. mit allfälligen Differenzen ihr gegenüber nicht professionell umzugehen wüssten, finden im angefochtenen Entscheid keine Stütze. Den in der Beschwerde geäusserten Zweifeln an der Einstellung der Pflegeeltern steht die vorinstanzliche Feststellung entgegen, wonach sich die Pflegeeltern deutlich für die Impfungen ausgesprochen hätten. Dass allein die Meinung der Pflegeeltern den Ausschlag für den behördlichen Entscheid gegeben hätte, ist aber ohnehin nicht ersichtlich.

Mit den zitierten Erwägungen rückt die Vorinstanz vielmehr in den Vordergrund, dass B.A.________ seit seiner Geburt und auf unbestimmte Zeit in jeder Hinsicht des täglichen Lebens seinen Pflegeeltern anbefohlen ist, während die Beschwerdeführerin, der ein begleitetes Besuchsrecht von zweimal zwei Stunden pro Woche zusteht, kaum in den praktischen Alltag ihres Sohnes involviert ist. Hat die Kindesschutzbehörde mit dem Entzug des elterlichen Aufenthaltsbestimmungsrechts aber die (rechtliche) Verantwortung für B.A.________s Betreuung übernommen (s. oben E. 6.2.2), so ist es (in erster Linie) auch die Behörde, die mit den entsprechenden Risiken und Gefahren konfrontiert ist, wenn sich B.A.________ mit einer der erwähnten Kinderkrankheiten ansteckt. Auch die Beschwerdeführerin stellt nicht in Abrede, dass die Kindesschutzbehörde in der Verantwortung für ein fremdes Kind steht, das sie den Eltern weggenommen hat, weil sein Schutz es erforderte. Diese Verantwortung beinhaltet insbesondere auch den Schutz der Gesundheit des Kindes, der − wie gesehen − von besonderer Bedeutung ist (E. 6.2.1). In dieser Situation steht es nicht im Belieben der Kindesschutzbehörde, mit Bezug auf die typischen Kinderkrankheiten dieselben Risiken einzugehen wie Eltern, die übereinstimmend oder in Ausübung der Alleinsorge auf die Basisimpfungen für das in ihrer Obhut stehende eigene Kind verzichten. In diesem Sinne − und nur in diesem (zur Möglichkeit und Zulässigkeit der Motivsubstitution infolge Rechtsanwendung von Amtes wegen s. BGE 132 II 257 E. 2.5) − ist der Vorinstanz keine bundesrechtswidrige Ausübung des Ermessens vorzuwerfen, wenn sie unter Hinweis auf B.A.________s Bedürfnis und Anspruch auf Schutz seiner Gesundheit eine Gefährdung des Kindeswohls im Sinne von Art. 307 Abs. 1 ZGB bejaht und Anordnungen zur Durchführung der Basisimpfungen als Kindesschutzmassnahme für B.A.________ für angezeigt hält.

3. Die demente Seniorin und ihre uneinigen Töchter
BGE vom 6. Februar 2023 (5A_670/2022)

Vertretung in medizinischen Angelegenheiten (Durchführung einer Impfung),

Sachverhalt:

A. B.A.________ (geb. 1944) leidet an Demenz und lebt seit dem 7. Februar 2022 im Pflegeheim. Seit dem 14. Juli 2021 besteht für sie eine Vertretungsbeistandschaft in den Bereichen Administration, Finanzen und Wohnen. Beistand ist E.________, Amt für Erwachsenen- und Kindesschutz (EKS) der Stadt Bern. B.A.________ hat drei Töchter: D.A.________, A.A.________ und C.A.________. Die Schwestern sind sich uneinig, ob ihre Mutter gegen COVID-19 geimpft werden soll. Die Betroffene selbst ist in Bezug auf die Impfung nicht urteilsfähig.

B.a. Am 21. Februar 2022 wandte sich die jüngste Tochter, C.A.________, per E-Mail an die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) Bern und ersuchte darum, die Gesundheitsfürsorge für ihre Mutter ebenfalls an den Beistand zu übertragen, damit die Impfung gegen COVID-19 durchgeführt werden kann. Es folgten diverse Stellungnahmen und Anhörungen. In ihrer Stellungnahme vom 10. März 2022 erklärte A.A.________, mit der geplanten Impfung in keiner Weise einverstanden zu sein.

B.b. Mit Entscheid vom 24. März 2022 stimmte die KESB gestützt auf Art. 392 Ziff. 1 ZGB in Vertretung von B.A.________ der Durchführung des COVID-19-Impfprogramms zu. C.A.________ wurde ermächtigt und beauftragt, dafür zu sorgen, dass ihre Mutter die COVID-19-Impfungen erhält.
(…)
D.Mit Beschwerde vom 8. September 2022 wendet sich A.A.________ (Beschwerdeführerin) an das Bundesgericht. Sie stellt im Hauptantrag das Begehren, den Entscheid des Obergerichts „vollumfänglich aufzuheben“; eventualiter beantragt sie die Rückweisung zur Neubeurteilung an die Vorinstanz. (…)

Zunächst stellte das Bundesgericht fest, dass kein eindeutiger mutmasslicher Wille der dementen Seniorin gegen die Corona-Impfung bestehe, auf den man hätte abstellen müssen:

4.3.1. In der Sache bemängelt die Beschwerdeführerin, dass die KESB B.A.________s mutmasslichen Willen „mit einem Zweizeiler“ abhandle, ohne sich „auch nur im Geringsten“ mit der Problematik auseinanderzusetzen und ihren Entscheid nachvollziehbar zu begründen. Auch das Obergericht gehe gestützt auf die Akten der KESB fälschlicherweise davon aus, dass die Äusserungen der Betroffenen hinsichtlich der COVID-19-Impfung nicht eindeutig gewesen seien. Zum Beleg, dass das Gegenteil zutreffe, zitiert die Beschwerdeführerin Passagen aus dem erstinstanzlichen Entscheid, denen zufolge die drei Schwestern in ihren Stellungnahmen übereinstimmend von der ablehnenden Haltung ihrer Mutter berichtet haben sollen. Auch die vorinstanzliche Erkenntnis, dass B.A.________ gemäss Arztzeugnis vom 9. April 2021 bereits seit 2021 nicht mehr urteilsfähig gewesen sei, tadelt die Beschwerdeführerin als grundlegend falsch. Das Obergericht setze sich mit den verschiedenen Begriffen nur unzureichend auseinander. Dem angefochtenen Entscheid zufolge halte die KESB in ihrer Stellungnahme fest, dass B.A.________ laut dem fraglichen Zeugnis nicht mehr „zurechnungsfähig“ gewesen sei. Unter Hinweis auf einen Fachartikel (SACHS/BARP, Die Urteilsfähigkeit aus medizinischer Sicht, Pflegerecht 2018, S. 109) erklärt die Beschwerdeführerin, dass „offensichtlich unzutreffende Begriffe verwendet wurden“, die ärztliche Abklärung „nicht ganz fachgerecht erfolgte“ und das Obergericht der Unterscheidung „keinerlei Beachtung“ schenke. Im Ergebnis lasse der angefochtene Entscheid eine überzeugende Darlegung vermissen, inwiefern sich B.A.________s mutmasslicher Wille in Bezug auf die Impfung in der Vergangenheit nicht sicher habe eruieren lassen.

4.3.2. Die Vorwürfe laufen allesamt ins Leere. Von vornherein nicht einzutreten ist auf die Kritik, die die Beschwerdeführerin am Entscheid der KESB übt. Im hiesigen Verfahren steht allein der Entscheid der letzten kantonalen Instanz zur Beurteilung (Art. 75 BGG). Unbehelflich sind auch die Beanstandungen, die sich gegen den Entscheid des Obergerichts richten. Die Beschwerdeführerin begnügt sich damit, aus den jeweiligen Stellungnahmen der drei Töchter im erstinstanzlichen Verfahren bzw. aus den diesbezüglichen Schilderungen im Entscheid der KESB diejenigen Passagen herauszugreifen, die ihr zur Festigung ihres Standpunktes geeignet erscheinen. Allein damit ist der vorinstanzlichen Beweiswürdigung, der zufolge die Äusserungen der Mutter betreffend die COVID-19-Impfung nicht eindeutig waren, nicht beizukommen (vgl. oben E. 3.3).

Unbegründet ist schliesslich die im Zusammenhang mit dem Arztzeugnis vom 9. April 2021 erhobene Rüge, der Begriff der Urteilsfähigkeit sei im kantonalen Verfahren verkannt oder nicht sorgfältig gehandhabt worden. Stützt sich das Gericht zur Beurteilung der Urteilsfähigkeit auf die Einschätzung eines medizinischen Sachverständigen, so ist dessen Kompetenz darauf beschränkt, den Geisteszustand der untersuchten Person möglichst genau zu beschreiben und aufzuzeigen, ob und in welchem Mass ihr geistiges Vermögen versagt bzw. versagte. Welche rechtlichen Schlüsse aus der medizinischen Beurteilung zu ziehen sind, namentlich ob vom beschriebenen geistigen Gesundheitszustand auf die Urteilsfähigkeit zu schliessen sei oder nicht, beurteilt als Rechtsfrage allein das Gericht (Urteil 5A_439/2012 vom 13. September 2012 E. 4.1 mit Hinweisen). Im konkreten Fall kann daher offenbleiben, was genau im Arztzeugnis vom 9. April 2021 mit der Formulierung gemeint ist, dass B.A.________ „aus medizinischer Sicht nicht mehr zurechnungsfähig“ sei. Denn in der entscheidtragenden Erwägung 5.3 bezieht sich das Obergericht gar nicht auf diese Einschätzung von Dr. med. F.________. Vielmehr verweist es auf ihre Beobachtung, wonach B.A.________ die Gesamtsituation bzw. den aktuellen Sachverhalt ganz klar nicht mehr verstehe. Weshalb das Obergericht aber aus dieser sachverständigen Erkenntnis nicht auf die (schon im damaligen Zeitpunkt bestehende) Urteilsunfähigkeit der Betroffenen schliessen durfte, ist der Beschwerde nicht zu entnehmen und auch nicht ersichtlich.

Im Weiteren ging das Bundesgericht davon aus, dass das verfassungsmässige Recht auf körperliche und geistige Unversehrtheit nicht unverhältnismässig durch die Anordnung der Impfung eingeschränkt wird:

4.4.1. Die Beschwerdeführerin hält daran fest, dass sich die COVID-19-Impfung ihrer Mutter nicht mit deren verfassungsmässigen Recht auf körperliche und geistige Unversehrtheit (Art. 10 Abs. 2 BV) vertrage. Der in der Verfassung verbürgte Schutz der körperlichen Integrität und der Willensfreiheit gebiete, „dass sich niemand impfen lassen muss, der nicht will“. Im Wesentlichen beklagt sich die Beschwerdeführerin darüber, dass die umstrittene Impfung nicht im Sinne von Art. 36 Abs. 3 BV verhältnismässig sei.

Der Grundsatz der Verhältnismässigkeit gilt auch im Bereich des Erwachsenenschutzes (vgl. Art. 389 Abs. 2 ZGB). Er verlangt, dass eine Massnahme für das Erreichen des im öffentlichen oder privaten Interesse liegenden Zieles (1.) geeignet und (2.) erforderlich ist und sich (3.) für die betroffene Person in Anbetracht der Schwere der Grundrechtseinschränkung als zumutbar erweist (BGE 147 I 450 E. 3.2.3). Grundsätzlich muss eine vernünftige Zweck-Mittel-Relation vorliegen (BGE 140 I 2 E. 9.2.2; Urteil 1C_181/2019 vom 29. April 2020 E. 5.3, nicht publ. in: BGE 147 I 103). Nach der Rechtsprechung ist eine Massnahme geeignet, wenn sie das im öffentlichen oder privaten Interesse liegende Ziel − hier: die Abwendung der Gefahr, dass B.A.________ schwer an COVID-19 erkrankt − zu erreichen bzw. verwirklichen vermag und insofern tauglich ist; untaugliche Massnahmen sind unverhältnismässig (Urteil 5A_1021/2021 vom 17. Dezember 2021 E. 5.1). Unter dem Gesichtspunkt der Erforderlichkeit muss eine Massnahme in sachlicher, zeitlicher und persönlicher Hinsicht das mildeste Mittel darstellen, mit welchem der gesetzliche Zweck − hier die Personensorge für die urteilsunfähige B.A.________ − gerade noch erreicht werden kann; anders ausgedrückt: Der (abzuwendenden) Gefahr − hier derjenigen, dass B.A.________ schwer an COVID-19 erkrankt − darf nicht durch eine weniger einschneidende Massnahme vorgebeugt werden können (vgl. zur Erforderlichkeit im Allgemeinen BGE 142 I 49 E. 9.1; Urteile 2C_1106/2018 vom 4. Januar 2019 E. 3.3; 2C_576/2018 vom 16. November 2018 E. 3.2.1). Das Bundesgericht prüft die Wahrung des Verhältnismässigkeitsprinzips als Rechtsfrage mit freier Kognition (vgl. BGE 142 I 76 E. 3.3; 140 II 194 E. 5.8.2). Hingegen ist es an die tatsächlichen Feststellungen, welche die Vorinstanz des Bundesgerichts ihrem Entscheid zugrunde gelegt hat, gebunden (Art. 105 Abs. 1 BGG; oben E. 3.3).

4.4.2. Die Beschwerde äussert sich zuerst zur Geeignetheit. Mit Blick auf den bisherigen Verlauf der Pandemie sei nicht ersichtlich, dass die Impfung für den Schutz der Gesundheit geeignet ist. Die mittlerweile hohe Durchimpfungsrate habe weder zu einem merklichen Rückgang der täglichen Neuinfektionen noch zu einer merklichen Abnahme von Hospitalisierungen und Todesfällen im Zusammenhang mit dem COVID-19-Virus geführt. Unterdessen sei hinlänglich bekannt, dass die Impfung insbesondere vor der Omikron-Variante so gut wie keinen Schutz bietet. Wenn die kantonalen Instanzen behaupten, dass die Impfung zumindest den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen könne, dann sei auch dies „nichts weiter als eine Behauptung“, die nicht von entsprechenden Beweisen gestützt werde.

Die Beschwerdeführerin begnügt sich damit, ihre im kantonalen Verfahren geäusserten Zweifel an der Geeignetheit zu wiederholen und dem angefochtenen Entscheid die eigene, freilich nur allgemein gehaltene Einschätzung gegenüberzustellen. Was die Erkenntnis angeht, dass die Impfung immerhin den Verlauf einer COVID-19-Erkrankung günstig beeinflussen könne, schliesst sich das Obergericht den Ausführungen in der Stellungnahme der KESB an. Diese erklärt unter Bezugnahme auf die einschlägigen Empfehlungen des BAG, dass der Schutz durch die Impfung vor schwerer Erkrankung inkl. Hospitalisation und Tod wissenschaftlich und statistisch erwiesen sei. Inwiefern diese Einsicht mit den Impfempfehlungen des BAG und der EKIF im Widerspruch steht, mag die Beschwerdeführerin nicht erklären, noch stellt sie sich grundsätzlich gegen die vorinstanzliche Erwägung, wonach sich der behördliche Entscheid an den regelmässig dem anerkannten und aktuellen Stand der Wissenschaft angepassten Empfehlungen des BAG und der EKIF zu orientieren habe (oben E. 4.1). Daran ändern auch ihre ausführlichen Erörterungen unter dem Titel „Wissenschaftliche Fakten“ nichts, in denen sie der Vorinstanz sinngemäss vorwirft, die Gefährlichkeit von COVID-19 zu über- und die Gefährlichkeit der dagegen entwickelten Impfung zu unterschätzen.

4.4.3. Was die Erforderlichkeit der Massnahme angeht, ist die Beschwerdeführerin „der dezidierten Ansicht“, dass die KESB gar keine Güterabwägung vorgenommen bzw. keine milderen Massnahmen (Aufenthalt in einer medizinischen Einrichtung, Maskentragen, Distanzregeln, Hygienemassnahmen etc.) geprüft, sondern direkt zur Ultima-ratio-Massnahme der Impfanordnung gegriffen habe. Dem angefochtenen Entscheid zufolge sei nicht ersichtlich, wie die genannten Massnahmen die Gefahr einer schweren COVID-19-Erkrankung effizient und nachhaltig zu bannen vermöchten. Dies ist nach der Meinung der Beschwerdeführerin insbesondere deshalb „interessant“, weil diese Massnahmen ebenfalls Empfehlungen des BAG darstellen, im Gegensatz zur Impfung laut Vorinstanz aber ineffizient sein sollen. Spätestens wenn mögliche (schwere) Impfnebenwirkungen in die Gesamtbetrachtung miteinbezogen werden, werde man einen gegenteiligen Schluss ziehen müssen.

Mit ihren wenig differenzierten Beanstandungen übersieht die Beschwerdeführerin, dass das Obergericht als Zweck der COVID-19-Impfung für B.A.________ nicht die Verhinderung einer Infektion mit dem Coronavirus, sondern den Schutz vor einem schweren Verlauf einer allfälligen COVID-19-Erkrankung in den Vordergrund rückt. Dass die kantonalen Instanzen mit der COVID-19-Impfung für B.A.________ ein anderes Ziel verfolgen würden, macht die Beschwerdeführerin zu Recht nicht geltend. Die vorinstanzliche Einordnung des Impfziels steht im Einklang mit der vom Obergericht konsultierten Impfempfehlung für mRNA-Impfstoffe gegen COVID-19 des BAG und der EKIF (Stand 23. Mai 2022, insbes. S. 5). Nach den jüngsten Erkenntnissen der erwähnten eidgenössischen Stellen wird der Effekt der Impfung auf die Verhinderung einer Virusübertragung der Omikron-Variante des Coronavirus für alle Personengruppen als minimal beurteilt, weshalb der Übertragung mit nicht-pharmazeutischen Mitteln wie Hygieneregeln, Gesichtsmasken usw. entgegengewirkt werden muss (s. Impfempfehlung für die COVID-19-Impfung im Herbst/Winter 2022/23 des BAG und der EKIF, Stand 29. November 2022, S. 11). Entgegen dem, was die Beschwerdeführerin suggeriert, verstrickt sich das Obergericht somit nicht in Widersprüche, wenn es mit Blick auf den Zweck einer COVID-19-Impfung schon die Geeignetheit der erwähnten alternativen Massnahmen verneint. Aus demselben Grund vermöchte auch die Berücksichtigung möglicher Impfnebenwirkungen die besagten nicht-pharmazeutischen Alternativen nicht in ein anderes Licht zu rücken. Die Beschwerde ist in dieser Hinsicht unbegründet.
(…)
5. Nach alledem erweist sich die Beschwerde als unbegründet. Sie ist deshalb abzuweisen. Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat die Beschwerdeführerin für die Gerichtskosten aufzukommen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). (…)

Die Beschwerde ans Bundesgericht war offensichtlich politisch motiviert und zwar darum, da die Beschwerdeführerin die Corona-Impfung ablehnt. Im Übrigen ist die Beschwerde überflüssig, da die eigene Mutter, solange sie urteilsfähig gewesen ist, sich nicht eindeutig negativ zu Impfungen geäussert hat. Wer für den Fall der Urteilsfähigkeit vorsorgen will, ist eine Patientenverfügung zu empfehlen.