Kiffen und Autofahren

Das Bundesamt für Gesundheit bewilligte im Frühling 2022 einen ersten Pilotversuch zur kontrollierten Abgabe von nicht-medizinischem Cannabis im Kanton Basel-Stadt. Infolgedessen kann eine bestimmte Anzahl von Personen Gras und Haschisch für den Privatkonsum beziehen. Dieser Pilotversuch ist kürzlich gestartet. Bei den Studienteilnehmern handelt es sich um regelmässige Konsumenten. Da fragt sich insbesondere auch, was dies in Bezug auf deren Fahrfähigkeit bedeutet.

Erst einmal ist klarzustellen, dass es bei der Fahrfähigkeit nicht nur um Autofahren geht, sondern um den Gebrauch jeglicher Fahrzeuge im Strassenverkehr, namentlich auch Velos oder E-Trottinetts. Bekifft Velo zu fahren wird demnach rechtlich gleich behandelt wie bekifft Auto zu fahren.

Gemäss Art. 31 Abs. 2 SVG gilt jemand als fahrunfähig, der wegen Alkohol-, Betäubungsmittel- oder Arzneimitteleinfluss oder aus anderen Gründen nicht über die erforderliche körperliche und geistige Leistungsfähigkeit verfügt. Infolgedessen darf solch eine Person kein Fahrzeug führen.

Zunächst verweise ich auf die beiden folgenden Dokumente, auf die ich mich im Weiteren beziehe bzw. daraus zitiere:
– Bundesamt für Gesundheit, Faktenblatt: THC-Grenzwert für Cannabis im Strassenverkehr,
– Institut für Rechtsmedizin der Universität Basel, Bericht THC-Grenzwerte im Strassenverkehr – Eine Literaturanalyse, Dezember 2020.

Da Drogen- und Alkoholkonsum bekanntlich zur Fahrunfähigkeit führen, bietet sich ein Vergleich von Cannabis und Alkohol an, zumal in faktischer und rechtlicher Hinsicht grosse Unterschiede bestehen.

In Bezug auf Alkohol gibt es zwei Grenzwerte:
– Angetrunkenheit (0,5 ‰ Blutalkoholkonzentration bzw. 0,25 mg Alkohol pro Liter Atemluft),
– Qualifizierte Alkoholkonzentration (0,8 ‰ bzw. 0,4 mg/l).
(siehe die Verordnung der Bundesversammlung über Alkoholgrenzwerte im Strassenverkehr vom 15. Juni 2012, SR 741.13)

Die Alkoholgrenzwerte gehen von der Prämisse aus, dass eine Beeinträchtigung der Fahrfähigkeit nur durch Alkohol allein vorliegt. In der Praxis liegt jedoch häufig ein Mischkonsum vor. Alkohol wird zusammen mit Betäubungsmitteln oder mit Medikamenten konsumiert. Auch die physische Verfassung (z.B. Müdigkeit) hat einen Einfluss auf die Fahrfähigkeit. Deshalb muss beachtet werden, dass, selbst wenn die Grenzwerte nicht erreicht sind, trotzdem Fahrunfähigkeit vorliegen kann. Die Fahrfähigkeit muss jeweils im konkreten Einzelfalls abgeklärt werden.

Alkoholkonsum hat einen Einfluss auf die Reaktionsgeschwindigkeit, den Gleichgewichtssinn und die Koordinationsfähigkeit. Zudem wird die Risikobereitschaft erhöht. Bereits 0,2 ‰ bzw. 0,1 mg/l wirken sich negativ auf die Fahrfähigkeit aus. Es besteht bereits ein grösseres Unfallrisiko. 0,5 ‰ bzw. 0,25 mg/l ist als Gefahrengrenzwert zu betrachten. Ab 0,8 ‰ bzw. 0,4 mg/l ist von einer erhöhten Gefährdung der Verkehrssicherheit auszugehen.

In Bezug auf Cannabis gilt die Fahrunfähigkeit – im rechtlichen Sinn – als erwiesen, wenn im Blut Tetrahydrocannabinol (THC) nachgewiesen werden kann (= Nulltoleranz) (Art. 2 Abs. 2 Bst. a VRV). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz besteht bei einer ärztlichen Verschreibung von Cannabis (Art. 2 Abs. 2ter VRV). Im Weiteren erlässt das Bundesamt für Strassen (ASTRA) nach Rücksprache mit Fachexperten Weisungen über den Nachweis der verschiedenen Substanzen (Art. 2 Abs. 2bis VRV). Gemäss Art. 34 Bst. a der Verordnung des ASTRA zur Strassenverkehrsordnung (VSKV-ASTRA) beträgt der Grenzwert 1,5 Mikrogramm THC pro Liter Blut (1,5 µg/l). Dabei handelt es eher um einen technischen Wert, da der Grenzwert im Bereich der analytischen Nachweisgrenze für THC liegt. Gemäss der Verordnung gilt Nulltoleranz und auch ein festgestellter Wert von bis zu 1,5 µg/l wäre eigentlich gleichbedeutend mit Fahrunfähigkeit. Das Bundesgericht hatte im Übrigen an dieser Nulltoleranz-Regel nichts auszusetzen (BGE 147 IV 439).

Erste Beeinträchtigungen der Fahrfähigkeit treten ab 1,0 bis 2,5 µg/l auf. Im Bereich von 3,0 bis 4,1 µg/l zeigen sich Einschränkungen in Koordination und Reaktion, welche mit 0,5 ‰ bzw. 0,25 mg/l bei Alkohol vergleichbar sind. Erst ab 5 µg/l sind Cannabiskonsumenten nachweisbar häufiger von Unfällen betroffen. 2 bis 4 Stunden nach dem Konsum von Cannabis nimmt das Unfallrisiko allerdings wieder ab.

Die Alkohol-Grenzwerte korrelieren mit der Einschränkung der Fahrfähigkeit. Die Nulltoleranzregel bei Cannabis geht nicht mit der effektiven Fahrunfähigkeit einher. Der Fahrzeuglenker kann somit im rechtlichen Sinn fahrunfähig sein, obwohl er tatsächlich voll fahrtüchtig ist. Bei Alkohol ist das in der Regel nicht so.

Bei Alkohol kann der Fahrzeuglenker infolge seiner Erfahrung relativ gut abschätzen, ob er die Grenzwerte überschritten hat. Man merkt ohne weiteres, wann man von Alkohol kognitiv beeinträchtigt ist. Zudem ist aus der Rechtsmedizin bekannt, dass der Körper pro Stunde 0,1 bis 0,2 ‰ abbaut. Somit kann abgeschätzt werden, ab wann die Grenzwerte wieder unterschritten werden. Anders kann die Situation allerdings bei schweren Alkoholikern aussehen. Diese können sich am Morgen nach einem massiven Alkoholkonsum wieder vollkommen fit fühlen (Gewöhnungseffekt), dennoch weisen sie einen Restalkoholgehalt im Blut auf, der über dem Grenzwert liegt.

Bei Cannabis sieht die Situation ganz anders aus. Nach der akuten Rauschphase (2 bis 3 Stunden) ist der Konsument in der Regel wieder fit und fahrtüchtig. Bei regelmässigen Konsumenten lassen sich nach 24 Stunden keine Defizite in Bezug auf die Fahrfähigkeit mehr nachweisen. Allerdings hält im rechtlichen Sinne die Fahrunfähigkeit über längere Zeit an. Für den Fahrzeuglenker ist es praktisch nicht nachvollziehbar, ab wann sich kein THC mehr in seinem Blut befindet. Zunächst ist ihm der genaue THC-Gehalt des konsumierten Cannabis unbekannt. Es gibt keine Prozent-Angaben wie bei Alkohol. Auch ist die tatsächliche Menge des inhalierten THC faktisch nicht eruierbar. Zudem lagert sich THC im Fettgewebe ab und baut sich in der Folge nur langsam ab. Demnach kann im Gegensatz zu Alkohol der Abbau von THC in zeitlicher Hinsicht nicht berechnet werden.

Wenn jemand zum Beispiel am Abend einen Joint raucht, muss er damit rechnen, dass zumindest der kommende Tag ein Test positiv ausfallen könnte. Und dies, obwohl er durch den Cannabiskonsum überhaupt nicht mehr in seiner Fahrfähigkeit beeinträchtigt ist.

Für Cannabiskonsumenten, die täglich Joints rauchen, bedeutet dies, dass sie – rechtlich betrachtet – faktisch wohl dauerhaft fahrunfähig sind und deshalb auch keine Fahrzeuge mehr lenken dürfen.

Bei Alkohol korreliert der Grenzwert mit der Einschränkung der Fahrunfähigkeit. Bei Cannabis ist dagegen der Grenzwert so tief angesetzt, dass selbst, wenn die Fahrfähigkeit durch das vorgängige Kiffen in keinster Weise noch eingeschränkt ist, eine Bluttest noch positiv ist. Demzufolge ist es gesetzgeberisch angezeigt, die Nulltoleranzregel abzuschaffen und einen Grenzwert für THC festzulegen, der höher als der heutige liegt. Auch hier ist ein allfälliger Mischkonsum zu beachten.

Das Fahren im fahrunfähigen Zustand (bekifft oder alkoholisiert) wird gemäss Art. 91 SVG strafrechtlich geahndet (Fahren in fahrunfähigem Zustand und Missachtung des Verbots, unter Alkoholeinfluss zu fahren).

Zusätzlich zieht das bekiffte oder alkoholisierte Fahren Administrativmassnahmen im Strassenverkehr nach sich (Art. 16a, 16b und 16c SVG), sprich den Entzug des Führerausweises. Bei Fahrunfähigkeit wegen Kiffens liegt immer eine schwere Widerhandlung vor (Art. 16c Bst. c SVG), was zu einem Entzug von mindestens 3 Monaten führt. Da das Gesetz verschiedene Fallkonstellationen aufführt, kann der Entzug auch wesentlich länger angeordnet werden.

Ausserdem bestehen bei einer Person Zweifel an der Fahreignung, die auf mindestens 1,6 ‰ bzw. 0,8 mg/l Alkohol getestet worden ist, weshalb sie einer Fahreignungsuntersuchung unterzogen werden muss (Art. 15d Abs. 1 Bst. a SVG). Auch muss die Fahreignung abgeklärt werden, wenn eine Person unter dem Einfluss von Betäubungsmitteln gefahren ist oder Betäubungsmittel mitgeführt hat, die die Fahrfähigkeit stark beeinträchtigen oder ein hohes Abhängigkeitspotenzial aufweisen (Art. 15d Abs. 1 Bst. b SVG). Ausserdem wird in solchen Fällen der Führerausweis vorsorglich entzogen (Art. 30 VZV).

Kurzum gilt Folgendes: Wer trinkt, fährt nicht. Wer kifft, fährt länger nicht. Wer täglich kifft, fährt gar nicht.