In einem Urteil des Obergerichts vom 27. Dezember 2022 (PQ220061-O) findet sich folgender Sachverhalt:
1. Die Beschwerdeführerin 1 ist die Mutter des Beschwerdeführers 2. Der Vater ist nicht bekannt. Die Beschwerdeführerin 1 stammt aus Eritrea und stellte in der Schweiz ein Asylgesuch, das abgewiesen wurde. Die Beschwerdeführer wohnen im Durchgangszentrum C._____ in …[Ort].
2. Aufgrund einer Gefährdungsmeldung des Vereins family-help vom 18. November 2021 (KESB act. 1) leitete die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde Uster (KESB) ein Verfahren ein und errichtete mit Entscheid 10. Februar 2022 für den Beschwerdeführer 2 eine Beistandschaft gemäss Art. 308 Abs. 1 und 2 ZGB, ernannte eine Beistandsperson, erteilte dieser Aufträge und ordnete gestützt auf Art. 307 Abs. 1 ZGB an drei Tagen pro Woche für B._____ eine Betreuung in einer Kindertagesstätte an (KESB act. 15).
3. Eine Beschwerde an den Bezirksrat Uster mit dem Antrag, es sei für die Beschwerdeführer ein neuer kindgerechter Wohnraum zu bestimmen und die Beistandsperson zusätzlich zu beauftragen, sie beim Finden eines solchen Wohnraums zu unterstützen, wurde mit Urteil vom 17. August 2022 abgewiesen (BR act. 10 = act. 7).
4. Gegen das Urteil des Bezirksrats vom 17. August 2022 erheben die Beschwerdeführer mit Eingabe vom 20. September 2022 rechtzeitig Beschwerde bei der Kammer mit dem Antrag, die Kindesschutzmassnahme für B._____ sei insoweit zu ergänzen, als A._____ und ihrem Sohn B._____ so rasch als möglich eine eigene Wohnung respektive eine andere kindergerechte Unterbringung zuzuweisen sei (act. 2 S. 2).
Die Beschwerdeführer begründeten ihr Begehren folgendermassen:
3. Die Beschwerdeführer berufen sich auf den Entscheid der KESB vom 22. Februar 2022, der Kindesschutzmassnahmen gestützt auf Art. 308 ZGB verfügt habe. Die Bestimmungen zum Nothilferegime würden den Kindesschutz nicht ausschliessen. Auch wenn das kantonale Sozialamt für die Organisation der Unterbringung von abgewiesenen Flüchtlingskindern und -familien zuständig sei, gebe es keine Rechtsgrundlage, welche die KESB vom Kindesschutz von Kindern wie B._____ befreien würde. Art. 308 ZGB sei entsprechend offen formuliert. Es sei deshalb davon auszugehen, dass kindergerechte Anordnungen der KESB auch zur Unterkunft von (abgewiesenen) Flüchtlingskindern möglich seien. Dass die Wohnform zentral sei für die Gesundheit, die Entwicklung und das Wohlbefinden, dürfte grundsätzlich unbestritten sein, denn sogenannte Platzierungen seien regelmässig Kindesschutzmassnahmen. Wäre das kantonale Sozialamt alleine für die Wohnform zuständig, würde der Kindesschutz, der mehrere Lebensbereiche betreffe, gespalten, was nicht wünschenswert sei (act. 2 S. 3 ff., Ziff. 5 ff.).
Mit ihrem Rechtsbegehren gehe es ihnen nicht um den Wunsch nach mehr Komfort oder gar um eine Wohnungswahl in der Nothilfe. B._____ erlebe tagtäglich retraumatisierende Situationen (bspw. Streit, Schreie, Verzweiflung, Sex der Erwachsenen, nächtliche Polizeieinsätze), die nicht gesundheits- und entwicklungsfördernd und damit kindgerecht seien. Die Gemeinschaftsräume im Zentrum seien ungeeignet. Die Unterkunft sei nicht kindgerecht (act. 2 S. 5 f. Ziff. 9 f.).
Die Beschwerdeführer leiten einen Anspruch von B._____ aus den Grundrechten der Verfassung und der UN-Kinderrechtskonvention ab. Die nicht kindgerechte Wohnform beeinträchtige den Gesundheitszustand, die Entwicklung und damit das Kindeswohl von B._____, was Art. 24 und Art. 3 UN-KRK sowie Art. 11 BV verletze. B._____ leide unter dieser Situation, für die er nichts könne, weshalb er anderen Kindern gegenüber nicht diskriminiert werden dürfe (act. 2 S. 6 ff. Ziff. 11 ff.).
Das Kindesschutzrecht ist offensichtlich nicht dazu da, um sich bessere Lebensbedingungen im Asylverfahren zu erstreiten. Das ist nicht die Aufgabe der KESB. Das ist ähnlich wie bei den Coronamassnahmen, wo die KESB nicht gestützt auf Kindesschutzmassnahmen die Maskenpflicht in der Schule aufheben konnte.
Die KESB ging denn auch von Folgendem aus:
1. Die KESB stellte fest, dass B._____ aufgrund verschiedener Belastungsfaktoren in seiner Entwicklung gefährdet sei. Die KESB erwog, in Bezug auf einen allfälligen Handlungsbedarf betreffend Aufenthaltsstatus, Wohnsituation und sozioökonomischen Status von Mutter und Kind, werde und könne sie keine Unterstützung bieten. Um B._____s Befindlichkeit zu stabilisieren und ihn in seiner gesunden Entwicklung zu fördern und unterstützen zu können, seien Kindesschutzmassnahmen angezeigt. Die Mutter sei durch ihre psychosoziale und ökonomische Situation zu stark belastet, um ihren elterlichen Pflichten betreffend Sorge, Erziehung, Förderung und Schutz ihres Sohnes ausreichend nachzukommen. Die freiwillig angenommene Unterstützung durch den Verein family-help genüge nicht, um der Entwicklungsgefährdung angemessen entgegenzuwirken. Aufgrund der Rückmeldungen der involvierten Fachpersonen ging die KESB davon aus, dass Mutter und Kind trotz abgewiesenem Asylstatus für unbestimmte Dauer in der Schweiz und im Durchgangszentrum C._____ in …[Ort] verbleiben würden, so dass die notwendigen Kindesschutzmassnahmen umgehend zu treffen seien. Gestützt darauf errichtete die KESB eine Beistandschaft und ordnete eine Betreuung in einer Kindertagesstätte an drei Tagen pro Woche an (KESB act. 15 S. 3).
In der Vernehmlassung zur vorinstanzlichen Beschwerde hielt die KESB fest, es sei nicht ihre Aufgabe, Eltern bei der Suche nach einer Wohnung zu unterstützen. Dass die Wohnverhältnisse im Durchgangszentrum C._____ für abgewiesene asylsuchende Familien schwierig seien, sei bekannt. Diesen Problemen sei jedoch nicht durch die KESB und die Ergreifung von Kindesschutzmassnahmen beizukommen. Bei der Anordnung von Kindesschutzmassnahmen seien die Grundsätze der Subsidiarität und Verhältnismässigkeit zu beachten. Den generellen Herausforderungen bezüglich der Unterbringung von Familien in Durchgangszentren sei durch politische Massnahmen oder entsprechende Aufsichtsbeschwerden zu begegnen. Die Mutter werde durch diverse Fachpersonen unterstützt, demnach sei es ihr auch möglich, die entsprechend notwendigen Schritte zu ergreifen (BR act. 7).
Diese Haltung stützte auch der Bezirksrat:
2. Der Bezirksrat stellte fest, die Beschwerdeführerin halte sich nach der rechtskräftigen Abweisung ihres Asylgesuchs widerrechtlich in der Schweiz auf. Sie widersetze sich jedoch einer Ausreise. In dieser Situation sei sie von der Sozialhilfe ausgeschlossen. Auf Ersuchen bekomme sie jedoch Nothilfe, welche namentlich Unterkunft und Nahrung umfasse und in der Regel in dafür bezeichneten Unterkünften gewährt werde. Den besonderen Bedürfnissen von unbegleiteten minderjährigen Asylsuchenden, Familien mit Kindern und betreuungsbedürftigen Personen sei bei der Unterbringung nach Möglichkeit Rechnung zu tragen. Zuständig für die Ausrichtung der Nothilfe sei die Abteilung Asylkoordination des kantonalen Sozialamts. Eine Zuweisung in eine andere Unterkunft habe über diese Stelle zu erfolgen. Der Bezirksrat schloss, dass die KESB für das Kleinkind und seine Mutter keinen neuen Wohnraum bestimmt habe, sei angesichts der für beide geltenden Vorschriften für Personen ohne Aufenthaltsrecht in der Schweiz und der damit verbundenen, gesetzlich vorgegebene Zuständigkeiten nicht zu beanstanden (act. 7 S. 7 ff. E. 4).
Das Obergericht hielt zunächst fest, dass die KESB nicht für die Kindesmutter zuständig sei:
4. In eigener Sache kann die Mutter keine Anordnung einer Kindesschutzmassnahme verlangen. Die Kindesschutzbehörde ist für sie nicht zuständig. Als Ausländerin mit abgewiesenem Asylgesuch ist sie bei der Wahl ihres Aufenthaltsorts nicht frei, sondern muss sich beim kantonalen Sozialamt um eine Änderung der Wohnsituation bemühen. Unter ihrer Obhut (vgl. dazu unten 6) ist B._____s Unterbringung sowohl faktisch als auch rechtlich von ihr abhängig. (…)
Das führt zu einer Zuständigkeitsspaltung. Das heisst, dass unterschiedliche Behörden für Kind und Kindesmutter zuständig sind.
Schliesslich hielt das Obergericht fest, dass die KESB nicht das entscheiden kann, was die Beschwerdeführer wünschen:
5. Die kindesschutzrechtlichen Bestimmungen des ZGB, welche die Grundlage für die Arbeit der KESB bilden, bieten keine Handhabe, um an diesen Rahmenbedingungen etwas zu ändern und in die Zuständigkeit anderer Behörden einzugreifen. Eine solche Kompetenz lässt sich auch nicht unter die im Gesetz beispielhaft aufgezählten Aufgaben einer Beistandsperson subsumieren.
Es würde daher nichts nützen, den Auftrag der Beiständin um die Aufgabe zu erweitern, die Mutter zu unterstützen, einen kindergerechten geschützten Wohnraum zu finden, wie die Mutter beim Bezirksrat beantragte (vgl. BR act. 1 S. 2 Ziff. 3). Eine solche Anordnung bliebe folgenlos und wäre daher untauglich, ihr Ziel zu erreichen. Der Bezirksrat wies diesen Antrag zu Recht ab.
6. Zur Begründung ihrer Beschwerde verweisen die Beschwerdeführer darauf, dass sogenannte Platzierungen regelmässig Kindesschutzmassnahmen seien (act. 2 S. 5 oben). Das ist richtig, aber die Grundlage für solche Massnahmen findet sich nicht in Art. 308 ZGB, sondern in Art. 310 ZGB. Diese Bestimmung gibt der Kindesschutzbehörde die Kompetenz, das Kind in angemessener Weise unterzubringen, wenn der Gefährdung des Kindes nicht anders begegnet werden kann.
Eine solche Fremdplatzierung setzt allerdings voraus, dass das Kind den Eltern weggenommen wird, wie das Gesetz mit diesen Worten festhält und was rechtlich den Entzug der elterlichen Obhut bedeutet. Die Platzierung eines Kindes zusammen mit einem Elternteil, was die Beschwerde anstrebt, lässt sich hingegen nicht auf Art. 310 ZGB stützen.
Damit die Kindesschutzbehörde für B._____ einen anderen Aufenthaltsort festlegen könnte, müsste demnach der Mutter die Obhut entzogen werden. Das würde allerdings die Frage aufwerfen, ob entgegen der Auffassung des Bezirksrats nicht doch eine Interessenkollision zwischen den Beschwerdeführern besteht (vgl. act. 7 S. 4 E. 2.2; act. 2 S. 2 Ziff. 2).
Wie es sich damit verhält, kann allerdings offen bleiben, da das offensichtlich nicht die Absicht der Mutter ist und kein Anlass besteht, einen solchen Schritt von Amtes wegen zu prüfen, da die angeordnete Beistandschaft als mildere Massnahme genügen sollte, um der von der KESB festgestellten Belastung der Mutter und den damit verbundenen Schwierigkeiten bei der Wahrnehmung ihrer elterlichen Pflichten (vgl. KESB act. 15 S. 3) zu begegnen.