Nach der Scheidung lebte die 16-jährige Tochter zusammen mit ihrer Mutter und dessen Lebenspartners sowie ihrer fünf Jahre älteren Schwester zusammen. Nach dem Krebstod der Mutter wollte der Vater, dass seine Tochter zu ihm zieht. Die Tochter wollte aber weiterhin bei ihrer Schwester und dem Partner der Mutter wohnen bleiben. Was soll in solch einen Fall passieren? Entscheidet der Vater als Inhaber der elterlichen Sorge allein oder ist der Wille der Tochter zu berücksichtigen?
Das Bundesgericht ging im Urteil vom 10. Juli 2018 (5A_463/2017 = BGE 144 III xxx) von folgendem Sachverhalt aus:
A.a. C. (geb. 1968) und A. (geb. 1968; Beschwerdeführer) heirateten im Oktober 1995. Sie sind die Eltern der beiden Töchter D. (geb. 1997) und B. (geb. 2002). Mit Urteil vom 8. Dezember 2014 schied das Richteramt Olten-Gösgen die Ehe. Die elterliche Sorge über die beiden Töchter beliess es bei beiden Elternteilen, die (faktische) Obhut übertrug es der Kindsmutter. Eine bereits im Eheschutzverfahren errichtete Erziehungsbeistandschaft führte das Richteramt fort. Beistand war G.
A.b. Am 24. Juni 2016 verstarb C. In der Folge eröffnete die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde Olten-Gösgen (KESB) ein Kindesschutzverfahren betreffend die Obhut über B. und allfällige weitere Massnahmen. Am 19. September 2016 ernannte die KESB für B. in der Person von Rechtsanwältin Cornelia Dippon eine Verfahrensbeiständin. Mit Entscheid vom 22. Februar 2017 entzog die KESB A. das Aufenthaltsbestimmungsrecht über B. und brachte diese bei E. unter, dem letzten Lebenspartner der verstorbenen Kindsmutter, bei dem die beiden Töchter leben. Des Weiteren entliess die KESB den bisherigen Beistand aus seinem Amt, setzte H. als neue Beiständin ein und legte deren Aufgaben fest. Ausserdem entzog sie A. die Befugnis zur Verwaltung des Vermögens und Einkommens von B. und zu deren Vertretung in administrativen Angelegenheiten und im Rechtsverkehr.
Zunächst ist festzuhalten, dass das Bundesgericht kantonale Entscheide nur eingeschränkt überprüft. Nur bei triftigen Gründen hebt das Bundesgericht Ermessensentscheide der kantonalen Vorinstanz auf.
1.3. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Diesbezüglich kann die rechtsuchende Partei nur vorbringen, die vorinstanzlichen Feststellungen seien offensichtlich unrichtig, das heisst willkürlich, oder würden auf einer anderen Bundesrechtsverletzung im Sinn von Art. 95 BGG (z.B. Verletzung von Art. 29 Abs. 2 BV oder Art. 8 ZGB) beruhen. (…)
Relevant ist folgende Bestimmung des Zivilgesetzbuches:
Art. 310 ZGB
C. Kindesschutz / III. Aufhebung des Aufenthaltsbestimmungsrechts
1 Kann der Gefährdung des Kindes nicht anders begegnet werden, so hat die Kindesschutzbehörde es den Eltern oder, wenn es sich bei Dritten befindet, diesen wegzunehmen und in angemessener Weise unterzubringen.
2 (…)
3 Hat ein Kind längere Zeit bei Pflegeeltern gelebt, so kann die Kindesschutzbehörde den Eltern seine Rücknahme untersagen, wenn diese die Entwicklung des Kindes ernstlich zu gefährden droht.
Das Bundesgericht führte materiell Folgendes aus:
4.1. In der Sache strittig ist der Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts über B. und deren Unterbringung bei E. Die Vorinstanz stützte sich in ihrem Entscheid neben Art. 310 Abs. 1 ZGB massgeblich auf Abs. 3 dieser Bestimmung, was der Beschwerdeführer kritisiert. Einschlägig sei allein Art. 310 Abs. 1 ZGB. So oder anders sei die getroffene Massnahme aber nicht rechtmässig. Damit sind vorab die gesetzlichen Grundlagen zu klären und ist nachfolgend zu prüfen, ob diese korrekt angewandt worden sind.
Gemäss Art. 307 Abs. 1 ZGB trifft die Kindesschutzbehörde die geeigneten Massnahmen zum Schutz des Kindes, wenn dessen Wohl gefährdet ist und die Eltern nicht von sich aus für Abhilfe sorgen oder sie dazu ausserstande sind. Kann der Gefährdung des Kindes nicht anders begegnet werden, so hat die Kindesschutzbehörde es den Eltern oder, wenn es sich bei Dritten befindet, diesen wegzunehmen und in angemessener Weise unterzubringen (Art. 310 Abs. 1 ZGB). Hat ein Kind längere Zeit bei Pflegeeltern gelebt, so kann die Kindesschutzbehörde den Eltern seine Rücknahme untersagen, wenn diese die Entwicklung des Kindes ernstlich zu gefährden droht (Art. 310 Abs. 3 ZGB).
4.2. Bei Scheidung der Ehe zwischen C. und dem Beschwerdeführer am 8. Dezember 2014 – für die Regelung des Kindesverhältnisses war die auf den 1. Juli 2014 in Kraft getretene Fassung des Gesetzes (AS 2014 357 ff.) massgebend (vgl. Art. 12 Abs. 1 SchlT ZGB) – beliess das Gericht die elterliche Sorge bei beiden Elternteilen (vgl. Art. 296 Abs. 2 und Art. 298 Abs. 1 ZGB). Die faktische Obhut über die Tochter, d.h. deren tägliche Betreuung, Pflege und laufende Erziehung (vgl. BGE 142 III 612 E. 4.1), übertrug es der Mutter (vgl. „Urteils-Meldung“ des Richteramtes Olten-Gösgen vom 9. Januar 2015). Das Recht, über den Aufenthaltsort des Kindes zu bestimmen, verblieb als Teil der elterlichen Sorge (Art. 301a Abs. 1 ZGB; vgl. BGE 144 III 10 E. 4) damit bei beiden Elternteilen und steht dem Beschwerdeführer seit dem Tod der Mutter alleine zu (vgl. Art. 297 Abs. 1 ZGB; Urteil 5A_684/2014 vom 3. Dezember 2014 E. 2.1, in: FamPra.ch 2015 S. 239). Wie das Verwaltungsgericht richtig erkennt, stellt sich unter diesen Umständen die Frage nach dem Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts, wenn die heutige Wohnsituation von B. erhalten und verhindert werden soll, dass der Beschwerdeführer die Tochter zu sich nimmt. Betroffen ist damit der Regelungsgehalt von Art. 310 ZGB (vgl. dazu Urteil 5A_402/2016 vom 16. Januar 2017 E. 3; AFFOLTER-FRINGELI/VOGEL, a. a.O., N. 11 ff. zu Art. 310/314b ZGB).
Zutreffend erkennt das Verwaltungsgericht weiter, dass der Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts nach Art. 310 Abs. 1 ZGB nicht nur dann möglich ist, wenn ein Kind entsprechend dem Gesetzeswortlaut den sorgeberechtigten Eltern weggenommen und neu untergebracht werden soll, sondern auch dann, wenn der Entzug verhindern soll, dass eine bestehende Pflegelösung rückgängig gemacht wird (vgl. Urteil 5A_550/2016 vom 3. Februar 2017 E. 3.3 mit Hinweis auf PETER BREITSCHMID, in: Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch I, 5. Aufl. 2014, N. 3 zu Art. 310 ZGB). Mit Blick auf das Kindeswohl, dessen Wahrung sämtliche Kindesschutzmassnahmen bezwecken (Art. 307 Abs. 1 ZGB; Urteil 5A_65/2017 vom 24. Mai 2017 E. 3.5), spielt dabei keine Rolle, wie die aufrechtzuerhaltende Betreuungssituation entstanden ist. Erfasst wird folglich auch der vorliegende Fall, in dem nach dem Tode des betreuenden Elternteils sichergestellt werden soll, dass das Kind in seinem bisherigen Umfeld bleibt und nicht zum überlebenden Elternteil zurückkehrt. Das Verwaltungsgericht erwägt sodann zu Recht, dass die für den Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts vorausgesetzte Gefährdung des Kindeswohls in diesen Fällen nicht an der bestehenden Situation zu messen ist, die aufrechterhalten werden soll. Vielmehr ist zu prüfen, ob das Wohl des Kindes durch die neu in Aussicht genommene Betreuungsregelung gefährdet würde. Hierbei sind, da die Beendigung der früheren Betreuungslösung in Frage steht, die Kriterien von Art. 310 Abs. 3 ZGB zu beachten (Urteil 5A_550/2016 vom 3. Februar 2017 E. 4.2; in der vorliegenden Situation die Anwendung von Art. 310 Abs. 3 ZGB bejahend auch AFFOLTER-FRINGELI/VOGEL, a.a.O., N. 7 zu Art. 297 ZGB; CYRIL HEGNAUER, Elterliche Sorge bei Tod eines geschiedene Elters, Art. 134 Abs. 3 ZGB, in: Zeitschrift für Vormundschaftswesen, ZVW, 55/2000, S. 57 ff., 59).
4.3. Damit ist nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz über den Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts des Beschwerdeführers unter Anwendung der Kriterien von Art. 310 Abs. 3 ZGB entschieden hat. Fraglich bleibt, ob der Umzug von B. zum Beschwerdeführer die Entwicklung des Kindes ernstlich zu gefährden droht, wie es diese Bestimmung voraussetzt.
Hierbei ist nach der Rechtsprechung entscheidend, ob die seelische Verbindung zwischen dem betroffenen Elternteil und dem Kind intakt ist und ob dessen Erziehungsfähigkeit und Verantwortungsbewusstsein eine Übertragung der faktischen Obhut unter Beachtung des Kindeswohls rechtfertigen. Es gilt, den Anspruch des Elternteils auf persönliche Betreuung gegen das Interesse des Kindes an einer stabilen Beziehung und geeigneter Förderung abzuwägen (BGE 111 II 119 E. 5 und 6; Urteil 5A_980/2015 vom 26. Januar 2016 E. 2.1 mit zahlreichen Hinweisen). In die Abwägung einzubeziehen sind namentlich auch der Wunsch des betroffenen Kindes, dessen Alter sowie die bisherige Dauer der bestehenden Pflegelösung (Urteil 5A_88/2015 vom 5. Juni 2015 E. 4.3.2, in: FamPra.ch 2015 S. 992). Unerheblich ist, auf welchen Ursachen die Gefährdung des Kindes im Falle seiner Rückplatzierung beruht. Sie kann in den Anlagen oder in einem Fehlverhalten des Kindes oder des Elternteils oder auch in der weiteren Umgebung gründen. Desgleichen spielt keine Rolle, ob den Elternteil ein Verschulden trifft (Urteil 5A_88/2015 vom 5. Juni 2015 E. 4.3.1 mit Hinweis, in: FamPra.ch 2015 S. 992). Bei der Beurteilung der Situation steht dem Sachgericht ein Ermessen im Sinne von Art. 4 ZGB zu, welches das Bundesgericht nur mit Zurückhaltung überprüft (vgl. statt vieler Urteil 5A_707/2017 vom 22. Februar 2018 E. 5.1; zum Prüfungsmassstab vgl. BGE 142 III 336 E. 5.3.2).
4.4. Das Verwaltungsgericht billigt dem Beschwerdeführer zu, ein guter Vater und imstande zu sein, die Tochter zu betreuen. Die 15-jährige und insoweit urteilsfähige B. wolle aber ihre Wohnsituation beibehalten und nicht zum Vater ziehen. Dies gelte es zu respektieren: Werde ein Kind entgegen seinem ausdrücklich und konstant geäusserten Willen aus einer seinem Wohl entsprechenden Betreuungssituation gerissen und zum anderen Elternteil umplatziert, verstosse dies nicht nur gegen sein Persönlichkeitsrecht, sondern auch gegen das Kindeswohl, welches im Mittelpunkt stehe. Der Ort der Unterbringung könne zwar nicht in jedem Fall vom Willen des Kindes abhängig gemacht werden. B. sei durch den Tod der Mutter aber massiv belastet. In dieser Situation müsse alles dafür getan werden, um ihr Stabilität und ein ihren Bedürfnissen entsprechendes Umfeld zu garantieren. Nur so könne sie den grossen Schmerz verarbeiten und sich altersentsprechend entwickeln. Diese Stabilität sei in ihrem derzeitigen Umfeld gegeben, wo das Kind mit seinen engsten Bezugspersonen zusammen wohne. Nicht zumutbar sei B. insbesondere die Trennung von ihrer älteren Schwester, welche ebenfalls bei E. wohne und zu der sie seit dem Tod der Mutter eine enge Beziehung entwickelt habe. Durch den Umzug würde B. ausserdem noch stärker in einen Loyalitätskonflikt geraten, da die Schwester den Kontakt zum Vater verweigere. Die Rückkehr zum Beschwerdeführer gefährde daher das Kindeswohl. Ohnehin lasse der Beschwerdeführer bei der Erziehung seiner Tochter das nötige Feingefühl vermissen, weil er ihre Bedürfnisse nicht respektiere, vielmehr seine eigenen Wünsche in den Mittelpunkt stelle. Auch die KESB verweist auf das Alter und den klaren Willen des Kindes, nicht beim Vater leben zu wollen.
B. betont die starke Bindung zu ihrem derzeitigen Umfeld. Dort sei ihre Familie, die biologische Abstammung vom Beschwerdeführer sei subsidiär. Sie wolle sich keinesfalls beim Vater aufhalten, zu dem sie ein gestörtes Verhältnis habe. Weder sei die Beziehung gut noch werde sie gelebt. Bereits die Trennung und Scheidung der Eltern sei traumatisierend gewesen, der Vater sei gegen die Mutter und den Bruder gewalttätig geworden und habe die Schwester laufend „beschuldigt“. Heute torpediere der Vater ihren Willen und erkläre ihr Umfeld zum Feind. Sie fühle sich unverstanden, übergangen, fremdbestimmt und nicht ernst genommen. Zwar möchte sie den Vater nicht verletzen, zu ihm ziehen aber auch nicht.
4.5. Der Beschwerdeführer vermag die Überlegungen des Verwaltungsgerichts nicht in Frage zu stellen: (…)
4.6. Zusammenfassend ist der Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts des Beschwerdeführers ebenso wenig zu beanstanden wie die Unterbringung von B. bei E. (…)
In diesem Fall haben die KESB und die Gerichte richtig entschieden. Zu kritisieren ist jedoch der Vater, weil er seine Geschichte im Blick ausgebreitet, sich als Behördenopfer stilisiert und schliesslich auch seine Tochter ins Rampenlicht gezerrt hat. Durch dieses rein egoistische und selbstmitleidige Verhalten kann er seine belastete Beziehung zu seiner Tochter jedenfalls nicht verbessern. Somit ist es verständlich, wenn die Tochter zu ihm auf Distanz geht. Rechtlich ist der Fall zwar sehr interessant, aber für den Vater wäre es besser gewesen, wenn er nicht gegen den Willen der Tochter angekämpft und sich mit dieser Situation arrangiert hätte. Nun ist sehr viel Geschirr zerschlagen und es wird nicht einfach sein, die Beziehung wieder zu verbessern. Das erfordert jedoch, dass der Vater die Meinung der Tochter nun vorbehaltlos akzeptiert und sein bisheriges Verhalten kritisch hinterfragt.