Einleitung
Mit der Schweizerischen Strafprozessordnung (StPO) wurde das Rechtsinstitut der Privatklägerschaft eingeführt.
Art. 118 Begriff und Voraussetzungen
1 Als Privatklägerschaft gilt die geschädigte Person, die ausdrücklich erklärt, sich am Strafverfahren als Straf- oder Zivilklägerin oder -kläger zu beteiligen. 2 Der Strafantrag ist dieser Erklärung gleichgestellt.
3 Die Erklärung ist gegenüber einer Strafverfolgungsbehörde spätestens bis zum Abschluss des Vorverfahrens abzugeben.
4 Hat die geschädigte Person von sich aus keine Erklärung abgegeben, so weist sie die Staatsanwaltschaft nach Eröffnung des Vorverfahrens auf diese Möglichkeit hin.
Art. 119 Form und Inhalt der Erklärung
1 Die geschädigte Person kann die Erklärung schriftlich oder mündlich zu Protokoll abgeben.
2 In der Erklärung kann die geschädigte Person kumulativ oder alternativ:
a. die Verfolgung und Bestrafung der für die Straftat verantwortlichen Person verlangen (Strafklage);
b. adhäsionsweise privatrechtliche Ansprüche geltend machen, die aus der Straftat abgeleitet werden (Zivilklage).
Die Privatklägerschaft ist allerdings ein etwas seltsames Rechtsinstitut, mit dem ich bis heute Schwierigkeiten habe, es richtig zu verstehen. Noch schwieriger ist es, Mandanten zu erklären, was eine Privatklägerschaft ist. Das Problem liegt vor allem darin begründet, dass die Privatklägerschaft keine vollwertige Partei ist. Ich finde bereits den Begriff „Privatklägerschaft“ total missglückt. Die Rolle der Privatklägerschaft wird in seltsamer Weise auf die Geltendmachung von zivilrechtlichen Ansprüchen (Genugtuung und Schadenersatz) reduziert, als ob es das einzige Ziel von Geschädigten ist, aus einer Straftat Kapital zu schlagen. Es wird völlig ausgeblendet, dass die Beteiligung von Geschädigten am Strafverfahren auch dazu dient, dass diese die Straftaten in persönlicher Weise bewältigen können, beispielsweise, indem sie ein Mitspracherecht bei der Bestrafung oder beim Erlass von Massnahmen haben. Die Privatklägerschaft kann sich zwar als Strafkläger konstituieren, was jedoch nur bedeutet, dass sie einzig die Verurteilung des Beschuldigten verlangen können (Schuldpunkt). Die Verurteilung ist denn auch Voraussetzung für die Geltendmachung von finanziellen Ansprüchen. Zu der Höhe der Strafe (Strafpunkt) hat die Privatklägerschaft nichts zu sagen. In Deutschland ist das anders, weshalb man dort von Nebenkläger spricht.
Die Privatklägerschaft ist also grundsätzlich Partei (Art. 104 Abs. 1 Bst. b StPO), aber tatsächlich muss man von einer Partei zweiter oder dritter Klasse sprechen. Über vieles, was im Strafverfahren passiert (z.B. Haftentscheide, Bewilligung des vorzeitigen Strafvollzugs und vieles mehr), wird die Privatklägerschaft erst gar nicht erst informiert. Was für Parteirechte die Privatklägerschaft genau hat, ist nicht restlos geklärt. Es gibt zwei Standpunkte:
1. Der Privatklägerschaft stehen Parteirechte nur zu, wenn es zur Durchsetzung ihrer finanziellen Ansprüche notwendig ist (Interessennachweis erforderlich).
2. Der Privatklägerschaft stehen grundsätzlich sämtliche Parteirechte zu (kein Interessennachweis).
Diese theoretische Diskussion in Bezug auf die Rechtsstellung der Privatklägerschaft hat zum Beispiel praktische Bedeutung, wenn die Privatklägerschaft Einsicht in das psychiatrische Gutachten des Beschuldigten nehmen will.
Art. 101 Akteneinsicht bei hängigem Verfahren
1 Die Parteien können spätestens nach der ersten Einvernahme der beschuldigten Person und der Erhebung der übrigen wichtigsten Beweise durch die Staatsanwaltschaft die Akten des Strafverfahrens einsehen; Artikel 108 bleibt vorbehalten.
(…)
Art. 107 Anspruch auf rechtliches Gehör
1 Die Parteien haben Anspruch auf rechtliches Gehör; sie haben namentlich das Recht:
a. Akten einzusehen;
(…)
Art. 108 Einschränkungen des rechtlichen Gehörs
1 Die Strafbehörden können das rechtliche Gehör einschränken, wenn:
a. der begründete Verdacht besteht, dass eine Partei ihre Rechte missbraucht;
b. dies für die Sicherheit von Personen oder zur Wahrung öffentlicher oder privater Geheimhaltungsinteressen erforderlich ist.
(…)
Standpunkt 1: Akteneinsicht nur mit Interessennachweis
In einem Beschluss des Obergerichts vom 26. Mai 2011, III. Strafkammer (UH110100), finden sich folgende Erwägungen:
2. Die Beschwerdeführerin gilt unbestritten als Geschädigte bzw. Opfer im Strafverfahren gegen B. Sie hat sich – wie oben angeführt – weiter im Sinne von Art. 118 f. StPO als Privatklägerin hinsichtlich der von ihr gegen B. erhobenen strafrechtlichen Vorwürfe der Körperverletzung, der Nötigung und der Tätlichkeiten konstituiert (Urk. 5/HD 59).
2.1. Die Stellung der Privatklägerschaft im Strafprozess richtet sich nach den Bestimmungen von Art. 104 ff. StPO. Danach ist der Geschädigte zum einen zur adhäsionsweisen Geltendmachung von Schadenersatz- und Genugtuungsansprüchen legitimiert (Art. 122 ff. StPO) und stehen ihm zum andern nach Art. 107 Abs. 1 StPO verschiedene Mitwirkungs- und Kontrollrechte im Strafverfahren zu, so zum Beispiel das Recht, die Akten einzusehen (lit. a).
2.2. Das Einsichtsrecht des Geschädigten ist jedoch kein – wie das die Beschwerdeführerin anzunehmen scheint – allumfassendes und unbeschränkt es, auch wenn der Teilnahme-und Mitwirkungsanspruch des Geschädigten am Verfahren ein fundamentales Element der Gehörsgarantie von Art. 29 BV ist. Entgegenstehen könnten der Einsichtgewährung unter anderem – wie dies die Vorinstanz zutreffend erkannte – allfällig schützenswerte Interessen von Verfahrensparteien wie der beschuldigten Person und der (andern) Geschädigten sowie – hier nicht der Fall – von am Verfahren beteiligter Dritter. Seine Schranken findet der Anspruch des Geschädigten auf Einsicht in die Verfahrensakten (wie jedes garantierte Recht) jedenfalls dort, wo andere, höherwertige Interessen von Verfahrensparteien oder anderen Beteiligten eine mehr oder weniger weitgehende Einschränkung des Einsichtsrechts gebieten. Allerdings darf insbesondere bei eine Strafuntersuchung abschliessenden Entscheiden – erfolge ein solcher nun bereits auf Stufe der Untersuchungsbehörde durch Einstellung oder durch ein Gericht durch Schuld- oder Freispruch – nur auf Vorgänge und Akten abgestellt werden, welche die Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis nehmen konnten, weshalb ihnen die Teilnahme an Beweiserhebungen zur Sache und dergleichen zu ermöglichen ist und „inoffizielle“ Beweiserhebungen nicht zulässig bzw. solcherart erhobene Tatbeweise jedenfalls zum Nachteil des von einer solchen Beschränkung betroffenen Beteiligten nicht verwertbar sind; kurz, es darf in der Sache nicht aufgrund vorenthaltener Akten entschieden werden. Mindestens ist den Betroffenen die Einsicht in die entsprechenden Akten zu ermöglichen, wobei wesentlich ist, dass das rechtliche Gehör spätestens in einem Zeitpunkt gewährt wird, in dem der Standpunkt des Betroffenen noch eingebracht werden kann, damit dieser für den fraglichen Entscheid berücksichtigt werden kann. Nach den bundesgerichtlichen Minimalanforderungen ist die Akteneinsicht spätestens nach Abschluss der Strafuntersuchung und vor dem gerichtlichen Erkenntnisverfahren zu gewähren.
Ein für die Gewährung oder die Einschränkung des Einsichtsrechts – nun speziell des Geschädigten oder Privatklägers – in die Akten zu beachtendes Kriterium ist insbesondere deren Relevanz für den vom betreffenden Geschädigten erhobenen strafrechtlichen Vorwurf. Bei der Gewichtung der Relevanz eines Dokumentes für die Argumentation des Geschädigten ist beispielsweise zu berücksichtigen, ob das darauf gestützte Argument überhaupt gehört werden könnte. Ist das nicht der Fall, ist die Information für die Durchsetzung der prozessualen Rechte des Geschädigten irrelevant und sein Einsichtsinteresse als entsprechend gering zu veranschlagen. Sowohl das Äusserungsrecht des Geschädigten an der Hauptverhandlung als auch seine Rechtsmittellegitimation sind auf den Schuld- und Zivilpunkt beschränkt. Zum Strafpunkt kann sich der Geschädigte nicht äussern. Bezieht sich das beabsichtigte Argument des Akteneinsicht begehrenden Geschädigten mithin auf den Strafpunkt, müsste es ungehört bleiben. Ein rechtserhebliches oder schützenswertes Interesse des Geschädigten, dieses Argument mittels Einsichtsnahme durch Aktenkenntnis zu stützen, wäre nicht ersichtlich.
Nur in Akten, die zum deliktsrelevanten Sachverhalt gehören, durch welchen die betreffende Privatklägerschaft selber einen Nachteil erlitten hat, und bei welchem sie als Geschädigte gilt, ist sie zur Einsicht berechtigt und zwar insoweit, als es zur Durchsetzung ihrer Verfahrensrechte im Schuld- und Zivilpunkt erforderlich ist.
2.3. Der Anspruch der Beschwerdeführerin auf Einsicht in die Akten umfasst damit zunächst die eigentlichen Untersuchungsakten. Wohingegen Akten, die mit dem von der Beschwerdeführerin im Rahmen des tatbestandsmässigen Geschehens erlittenen Nachteil in keinem Zusammenhang stehen, und Akten, die keine Informationen über diesen sie betreffenden tatsächlichen Vorwurf enthalten, – zunächst unabhängig von höherwertigen Interessen anderer Verfahrensbeteiligter – für die Durchsetzung der prozessualen Rechte der Beschwerdeführerin im Strafverfahren zum vornherein irrelevant (und ihr damit nicht zu öffnen) sind, selbst wenn sie für sie aus anderen Gründen nützlich oder interessant wären. Damit entfällt, worauf die Beschwerdeführerin nicht mehr beharrt, die Einsicht in die Verfahrensakten und -dossiers der anderen Geschädigten, aber auch die Einsicht in Akten und Unterlagen, die für die Durchsetzung ihrer auf den Schuld- und Zivilpunkt beschränkten Rechte nicht relevanten Akten.
3. Wo diesbezüglich keine Klarheit besteht, ist eine Abwägung zwischen dem Geheimhaltungsinteresse der Verfahrensbeteiligten bzw. des Geheimnisherrn – auch dasjenige der beschuldigten Person an der Wahrung seiner privaten Geheimnisse ist zu beachten – und dem Einsichtsinteresse (hier) der Privatklägerschaft an den in den spezifischen Akten enthaltenen Informationen für die Durchsetzung der eigenen prozessualen Rechte vorzunehmen. Ergibt diese Interessenabwägung, dass das Geheimnisinteresse eines Verfahrensbeteiligten das Interesse der Privatklägerschaft auf Kenntnis dieser Informationen überwiegt, und/oder stehen die von der Privatklägerschaft durch Einsicht in diese Akten zu gewinnenden Informationen mit dem von ihr im Rahmen des tatbestandsmässigen Geschehens erlittenen Nachteil in keinem sachlich relevanten Zusammenhang, gehen die schützenswerten Interessen des Verfahrensbeteiligten dem Anspruch der Privatklägerschaft auf Einsicht in die betreffen den Akten vor.
3.1. Die Beschwerdeführerin kann sich an der Hauptverhandlung – worauf sie mehrfach hingewiesen worden ist – einzig zum Schuld – und zum Zivilpunkt hinsichtlich der konkret zur Beurteilung stehenden, sie betreffenden Vorwürfe äussern; auch ihre Rechtsmittellegitimation beschränkt sich auf diesen Bereich. Soweit sie Einsicht in Akten über das sie selber betreffende tatbestandsmässige Geschehen resp. die diesbezüglichen Beweisunterlagen verlangt, steht sie ihr offen und wurde sie ihr (unbestritten) gewährt (Urk. 5/HD 32 und 62).
3.2. Die Beschwerdeführerin strebt nun aber offenbar die Überprüfung der gutachterlichen Diagnose und Prognose hinsichtlich des vom Beschuldigten ausgehenden Gefahrenpotentials im Hinblick auf künftige Delinquenz (allgemein oder ihr gegenüber ?) an bzw. stellt diese Prognose – so sie für den Beschuldigten günstig lauten sollte, worauf sie aufgrund von Presseverlautbarungen schliesst – in Frage, weshalb sie Einsicht in die Grundlagen und die fachärztliche Argumentation begehrt. Das prognostizierte mögliche künftige Verhalten des Beschuldigten Frauen im Allgemeinen und der Beschwerdeführerin im Besonderen gegenüber ist jedoch nicht Gegenstand der von der Vorinstanz zu beurteilenden Anklage und kann das auch nicht sein.
Die Beschwerdeführerin will weiter einen „Beweisantrag zur Befragung des Gutachters als Zeugen“ (Urk. 2 S. 13 Rz 37) stellen und ist der Ansicht, dass es zu einem „fundierten Plädoyer zum Schuldpunkt der Kenntnis (bedarf), ob der Gutachter generell nötigendes Verhalten als für den Angeklagten persönlichkeitsadäquat qualifiziert, bzw. wie er dieses wertet“ (Urk. 2 S. 13 Rz 38). Leide der Angeklagte an der von ihm (in einem Interview auf C. selber angetönten) psychischen Störung, würde dies gemäss Beschwerdeführerin bedeuten, dass er in der Tat zu unkontrolliertem Verhalten, verbunden mit Gewaltausbrüchen und nötigenden Drohungen, neige, was wiederum ihre Sachdarstellung zusätzlich als zutreffend unterstreichen würde (Urk. 2 S. 13 Rz 38). Der Beschwerdeführerin gehe es bei der Einsichtnahme in das Gutachten damit nicht um Fragen zum Strafpunkt. Sie benötige die Einsicht in die Akten vielmehr zur Prüfung der Frage, ob und welche Anhaltspunkte vorliegen, dass das Gutachten nicht standhalte, sowie zur Vorbereitung der Zeugenbefragung des Gutachters sowie zum Nachweis der Schuld des Angeklagten (Urk. 2 S. 13 Rz 39).
3.3. Das von der Untersuchungsbehörde explizit zu den Fragen einer psychischen Störung, Schuldfähigkeit, Rückfallgefahr und Notwendigkeit einer Massnahme für den Beschuldigten eingeholte Gutachten der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich beschlägt entgegen der Behauptungen der Beschwerdeführerin ausschliesslich den Strafpunkt und ist weder für noch gegen die zur Anklage gebrachte Sachdarstellung der Beschwerdeführerin geeignetes Indiz oder „Beweismittel“. Das Gutachten bzw. der Gutachter äussert sich weder wertend zu den von der Beschwerdeführerin erhobenen Vorwürfen, noch war das seine Aufgabe. Eine Befragung des Gutachters als Zeugen im Schuld- und Zivilpunkt zwecks Erstellung der von der Beschwerdeführerin behaupteten Sachverhalte kann daher nicht zum Ziel, zum Nachweis der strafrechtlichen Relevanz ebendieser Sachverhalte, führen. Ein rechtserhebliches Interesse der Beschwerdeführerin, ihre Vorbringen zum Schuldpunkt mittels Einsicht in das psychiatrische Gutachten über die beschuldigte Person (das sich – nochmals – einzig zu diesen genannten Aspekten äussert) durch Aktenkenntnis eines zum Strafpunkt eingeholten Gutachtens zu stützen, oder dieses Gutachten hinsichtlich seines Gehalts und seiner Aussage zum Strafpunkt zu hinterfragen, es anhand der Grundlagen und Angaben der beschuldigten Person einer eigenen Würdigung zu unterziehen, es zu überprüfen, ist damit weder ersichtlich, noch vermöchte die allfällige Feststellung einer psychischen Störung durch den Sachverständigen der Sachdarstellung der Beschwerdeführerin erhöhte Glaubhaftigkeit zu vermitteln oder sie zu verifizieren. Solche Fragen waren nicht Gegenstand der Begutachtung. Der Gutachter hatte sich nicht zu den in der Anklage erhobenen Vorwürfen gegen den Beschuldigten, und – jedenfalls nicht ungefragt – zur Glaubwürdigkeit von Beteiligten zu äussern oder dazu, ob deren Aussagen über das (angeklagte) Verhalten des Beschuldigten glaubhaft sind. Eine solche Fragestellung an den Gutachter wäre denn im Strafprozess weitgehend auch nicht statthaft; es ist die ureigenste Aufgabe des Richters, die von der Anklage vorgelegten Beweise einer Würdigung auf ihre Stichhaltigkeit und ihren Beweiswert zu unterziehen. Das zum Strafpunkt eingeholte Gutachten befasst sich nicht mit der Feststellung oder dem Nachweis von Tatbestandsrelevantem und ist nicht „Beweismittel“ zur Wahrheitsfindung im Sinne von Art. 139 ff. StPO, wovon die Beschwerdeführerin auszugehen scheint, wenn sie ihr Einsichtsrecht (u.a.) auf Kommentarstellen zu Art. 188 f. StPO stützt. Das psychiatrische Gutachten ist nicht Tatbeweis oder zu solchem geeignet oder bestimmt. Es wurde – wie bereits aus der Fragestellung zu schliessen ist – als medizinische und psychiatrische Fachmeinung des Sachverständigen zum Strafpunkt eingeholt. Vorbringen zu diesem Gutachten aber, die sich – trotz der gegenteiligen Ausführungen der Beschwerdeführerin – allein auf den Strafpunkt bzw. die Prognose für künftiges Verhalten der beschuldigten Person beziehen (können), nicht aber relevant oder geeignet sind, den Tatbeweis für das behauptete, der Beschwerdeführerin widerfahrene Geschehen in der Vergangenheit zu erbringen, fänden vor Gericht kein Gehör. Vom Gericht (retrospektiv) auf ihre strafrechtliche Relevanz zu beurteilen sind die von der Beschwerdeführerin zur Anzeige gebrachten Sachverhalte aus der Vergangenheit. Bezüglich dieser Vorwürfe ist – in geeigneter Weise – der Beweis für ein strafbares Verhalten des Beschuldigten zu erbringen. Weder sind dabei gewisse allgemeine charakterliche Neigungen oder bestehende Tendenzen im Verhalten des Beschuldigten, noch ein prognostiziertes, künftiges Verhalten oder ein möglicherweise von ihm ausgehendes Gefahrenpotential in die Beweisführung bezüglich der zu beurteilenden Anklagepunkte mit einzubeziehen. Der Befund des Gutachters beschlägt vorliegend – nochmals – einzig den Strafpunkt, ist für den Nachweis der Glaubwürdigkeit bzw. der Sachdarstellung einer den Beschuldigten belastenden Partei weder zweckmässig noch geeignet und damit für Ausführungen der Beschwerdeführerin zum Schuld- und Zivilpunkt irrelevant, wohingegen das Interesse der beschuldigten Person an der Geheimhaltung der entsprechenden Informationen aus seiner persönlichen Intimsphäre und seinem Privatbereich überwiegt.
3.4. Die Beschwerdeführerin hat nach dem Gesagten kein rechtserhebliches Interesse, das Gutachten und dessen Grundlagen einzusehen. Die vorinstanzlich verfügte Einschränkung des Gehörsanspruchs der Beschwerdeführerin hinsichtlich des psychiatrischen Gutachtens zum Strafpunkt ist damit rechtens und der Beschwerdeführerin ist keine Einsicht in entsprechenden Akten zu gewähren (Art. 108 Abs. 1 lit. b StPO). Das Einsichtsbegehren der Beschwerdeführerin in das Gutachten der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich vom tt.mm.2010 (Urk. 5/HD 51) ist damit abzuweisen, ohne dass eine weitergehende Abwägung der einer Einsicht durch die Beschwerdeführerin entgegenstehenden (bereits aufgrund des Gesagten vorgehenden) Geheimhaltungsinteressen des Beschuldigten an der Wahrung und am Schutz seiner Privatsphäre vorzunehmen ist (vgl. zum Ganzen: Lieber in: Donatsch/Hansjakob/Lieber, Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, Zürich 2010, Art. 108 N 1 ff., insbes. N 6; Niklaus Schmid, Handbuch StPO, N 104 ff., insbes. N 113 ff., und N 621 ff., insbes. N 626; Lorenz Droese, Die Akteneinsicht des Geschädigten in der Strafuntersuchung vor dem Hintergrund zivilprozessualer Informationsinteressen, Diss. Luzern, Zürich/Basel/Genf 2008, S. 148 ff.).
Das Bundesgericht bestätigte in einem späteren Verfahrensstadium mit Urteil vom 27. Januar 2014 (6B_224/2013) die Verweigerung der Einsicht in das psychiatrische Gutachten:
5.1. Im kantonalen Verfahren beantragte die Beschwerdeführerin, wiederholt, Einsicht in das (die) psychiatrische (n) Gutachten über den Beschwerdegegner nehmen zu können. Die Vorinstanz wies den Antrag mit Verfügung vom 19. Februar 2013 ab (kantonale Akten, act. 275; s.a. kantonale Akten, act. 116, Beschluss des Obergerichts vom 26. Mai 2011 betreffend Abweisung des Antrags auf Akteneinsicht). Dagegen wehrt sich die Beschwerdeführerin unter verschiedenen Gesichtspunkten (Beschwerde, S. 36 ff.).
5.2. Die Vorinstanz weist darauf hin, dass die Akteneinsicht der Privatklägerschaft auf jene Akten beschränkt ist, die sie zur Wahrung ihrer Interessen kennen muss. Aktenteile, die nur für die Strafzumessung und den Entscheid über Massnahmen von Bedeutung seien und grundsätzlich weder für die Führung der Straf- noch der Zivilklage benötigt würden, seien der Privatklägerschaft nicht zu offenbaren (kantonale Akten, act. 275).
5.3. Das psychiatrische Gutachten vom 16. Dezember 2010 behandelt ausschliesslich Fragen, die den Strafpunkt betreffen. Davon geht auch die Beschwerdeführerin aus (Beschwerde, S. 35). Zum Sanktionspunkt darf sie sich als Privatklägerin nicht äussern (Art. 382 Abs. 2 StPO). Im Hinblick auf allfällige Ausführungen zum Schuld- und Zivilpunkt ist weder ersichtlich noch dargelegt, inwiefern das zum Strafpunkt eingeholte Gutachten für die Beschwerdeführerin relevant sein könnte (vgl. NIKLAUS SCHMID, Handbuch des schweizerischen Strafprozessrechts, 2. Aufl., 2013, Rz. 622). Diese ist folglich durch die Einsichtsverweigerung in das Gutachten in ihren rechtlich geschützten Interessen nicht berührt. Die Abweisung des Antrags ist bereits aus diesen Gründen nicht zu beanstanden. Im Übrigen setzt sich die Beschwerdeführerin mit den vorinstanzlichen Erwägungen nicht auseinander. Sie wiederholt vor Bundesgericht lediglich ihre Einwände, welche die Vorinstanz im Beschluss vom 26. Mai 2011 betreffend Akteneinsicht mit vertretbaren Argumenten verworfen hat. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs ist nicht erkennbar.
5.4. Soweit die Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit der ihr verweigerten Gutachtenseinsicht eine Verletzung der Dokumentationspflicht und einen Verstoss gegen das Gebot der Gleichbehandlung der Verfahrensbeteiligten rügt, gehen ihr Einwände an der Sache vorbei. Sie verkennt einerseits Inhalt und Tragweite des Rechtsgleichheitsgrundsatzes (Art. 3 Abs. 2 lit. c StPO), andererseits Sinn und Zweck der Dokumentationspflicht, wonach nur verfahrensrelevante Vorgänge in den Akten schriftlich festzuhalten sind (Art. 76 StPO). Aus dem Umstand, dass einer anderen Geschädigtenvertreterin angeblich und womöglich zu Unrecht Einsicht in das/die psychiatrische (n) Gutachten gewährt wurde, kann die Beschwerdeführerin jedenfalls nicht ableiten, schon deswegen stünde ihr ein Recht auf Einsichtnahme zu.
In einem Strafverfahren betreffend Mord beim Bezirksgericht Bülach stellte ich als Verteidiger den Antrag, dass der Privatklägerschaft die Einsicht in das psychiatrische Gutachten des Beschuldigten zu verweigern sei. Das Bezirksgericht Bülach gab diesem Antrag in einer Verfügung vom 6. Oktober 2017 statt:
3. Akteneinsicht
3.1. Vor seinem Tod stellte der Beschuldigte am 22. August 2017 den Antrag, es sei den Privatklägern die Einsicht in das über ihn erstellte psychiatrische Gutachten zu verweigern (act. 81). Da das Verfahren noch rechtshängig ist und die Parteien grundsätzlich ein Akteneinsichtsrecht besitzen (Art. 101 Abs. 1 StPO), ist darüber zu entscheiden.
(…)
3.5 Die Privatklägerschaft ist Partei des Verfahrens (Art. 104 Abs. 1 lit. b StPO) und hat als solche das Recht auf Akteneinsicht (Art. 101 Abs. 1 StPO; Art. 107 Abs. 1 lit. a StPO). Nach Art. 108 Abs. 1 StPO kann das Recht auf Akteneinsicht eingeschränkt werden, wenn der begründete Verdacht besteht, dass eine Partei ihre Rechte missbraucht oder wenn dies zur Sicherheit von Personen oder zur Wahrung öffentlicher und privater Geheimhaltungsinteressen erforderlich ist. Einschränkungen gegenüber Rechtsbeiständen sind nur zulässig, wenn der Rechtsbeistand selbst Anlass für die Beschränkung gibt (Art. 108 Abs. 2 StPO).
3.6. Allerdings erfährt der gesetzliche Anspruch der Privatklägerschaft auf Akteneinsicht in der Praxis eine bedeutsame Einschränkung. Der Privatklägerschaft soll die Einsicht in die Akten zur Person nur gestattet sein, wenn dies zur Wahrung von deren Interessen erforderlich ist. Begründet wird diese Einschränkung damit, dass die Privatklägerschaft sich nicht zum Straf- und Sanktionspunkt äussern darf (BGE vom 27. Januar 2015, 6B_224/2013 Erw. 3 mit Verweis auf Art. 382 Abs. 2 StPO; Schmid, Rz 622, differenzierend BSK StPO-Schmutz, Rz 8 ff. zu Art. 101).
3.7 Da das Verfahren einzustellen ist und Zivilansprüche nicht mehr zu beurteilen sind, hat die Einsichtnahme in das psychiatrische Gutachten (act. D1/67/17) für die Privatklägerschaft keinerlei Bedeutung, namentlich ist sie nicht zur Wahrung ihrer Interessen erforderlich. Dem Antrag des Beschuldigten ist daher stattzugeben.
Literatur: Duri Bonin, Umfang des Akteneinsichtsrechts der Privatklägerschaft (Art. 101 StPO)
Standpunkt 2: Vollumfängliches Akteneinsicht (ohne Interessennachweis), Einschränkung nur gemäss Art. 108 StPO
In einem Beschluss vom 2. November 2012, III. Strafkammer (UH120280), vertrat das Obergericht dagegen einen anderen Standpunkt als in ihrem früheren Beschluss vom 26. Mai 2011:
II. Materielles
1. Standpunkte
Die Beschwerdegegnerin stellt sich auf den Standpunkt, das psychiatrische Gutachten beschlage ausschliesslich den Strafpunkt und sei für den Schuld- und Zivilpunkt irrelevant. Das Akteneinsichtsrecht der Privatklägerschaft sei beschränkt und gehe nur so weit als dies zur Durchsetzung ihrer Verfahrensrechte notwendig sei (Urk. 6). Das Recht auf Persönlichkeitsschutz des Beschuldigten überwiege die Interessen der Geschädigten, denn es gehe nicht um Kapitalverbrechen, sondern um Drohungen, einfache Körperverletzungen und Tätlichkeiten (Urk. 11 S. 2). Ausserdem sei die Beziehung der Privatklägerin zum Beschuldigten seit August 2011 aufgelöst und brauche sie keine detaillierte Kenntnis über die Psyche des Beschuldigten.
Die Beschwerdeführerin dagegen macht geltend, sie sei aufgrund der angeklagten Vorfälle stark traumatisiert und habe grösste Angst vor dem Beschuldigten. Als Verfahrenspartei stehe ihr grundsätzlich volles Akteneinsichtsrecht zu. Eine Einschränkung des Akteneinsichtsrechtes wäre allenfalls aufgrund einer anhand der konkreten Umstände vorzunehmenden Interessenabwägung möglich. Sie habe grösste Angst davor, dass der Beschuldigte sich an ihr rächen wolle. Die Frage, ob die Gefahr bestehe, dass der Beschuldigte erneut Straftaten begehe, sei für sie von grösster Wichtigkeit. Die fachärztliche Einschätzung der Gefährlichkeit des Beschuldigten und der Rückfallgefahr sei für sie wichtig für den Entscheid, welche Schutzmassnahmen sie für sich zu treffen habe (z.B. eine Verlegung des Wohnsitzes). Ihre Interessen auf Einblick in das Gutachten würden ein allfälliges Interesse des Beschuldigten an der Geheimhaltung des Gutachtens deutlich überwiegen. Zwar sei die Partnerschaft zum Beschuldigten aufgelöst worden, doch habe sie mit ihm eine gemeinsame Tochter, weshalb eine familiäre Verbindung zu ihm bestehe, welche Kenntnisse über seine Psyche erforderlich mache (Urk. 14 S. 4).
2. Rechtliche Grundlagen
Der Anspruch der Parteien auf rechtliches Gehör umfasst namentlich auch das Recht auf Akteneinsicht (Art. 107 Abs. 1 lit. a StPO). Gestützt auf Art. 101 Abs. 1 StPO können die Parteien spätestens nach der ersten Einvernahme der beschuldigten Person und der Erhebung der übrigen Beweismittel durch die Staatsanwaltschaft die Akten des Strafverfahrens einsehen, wobei Art. 108 StPO vorbehalten bleibt. Die Strafbehörden können das rechtliche Gehör unter bestimmten Voraussetzungen einschränken (Art. 108 Abs. 1 StPO). Vorliegend steht lediglich eine Einschränkung der Akteneinsicht gestützt auf Art. 108 Abs. 1 lit. b zur Diskussion. Nach dieser Bestimmung kann das rechtliche Gehör eingeschränkt werden, wenn dies für die Sicherheit von Personen oder zur Wahrung öffentlicher oder privater Geheimhaltungsinteressen erforderlich ist.
Nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes und der Gesetzessystematik steht auch der Privatklägerschaft vollumfängliches Akteneinsichtsrecht zu, ohne dass hiefür ein Nachweis des Interesses erforderlich wäre, denn sie ist Partei im Sinne von Art. 104 Abs. 1 lit. b StPO (Markus Schmutz in Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, Basel 2011, Art. 101 N 10 f. und dortige Hinweise). Entgegen der in der angefochtenen Verfügung der Beschwerdegegnerin vertretenen Auffassung ist der Privatklägerschaft nicht nur Akteneinsicht zu gewähren, soweit sie ein Interesse nachzuweisen vermag. Vielmehr ist davon auszugehen, dass ihr gestützt auf Art. 101 Abs. 1 StPO in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 lit. b StPO ein vollumfängliches Akteneinsichtsrecht zusteht und dieses unter den Voraussetzungen von Art. 108 StPO eingeschränkt werden kann.
3. Schlussfolgerung
Die Beschwerdeführerin ist Geschädigte und Opfer in dem gegen den Beschuldigten pendenten Strafverfahren und hat sich als Privatklägerin konstituiert. Sie ist daher Partei im Sinne von Art. 104 StPO. Aufgrund ihrer Parteistellung steht der Beschwerdeführerin vollumfängliches Akteneinsichtsrecht zu, ohne dass sie einen Interessennachweis zu erbringen hätte. Einschränkungen dieses Akteneinsichtsrechtes sind nur gestützt auf Art. 108 StPO zulässig.
Alle Punkte der Anklageschrift vom 17. September 2012 (Urk. 23) beziehen sich sodann auf Deliktsvorwürfe zum Nachteil der Beschwerdeführerin (mehrfache Drohungen mit dem Tod unter Einsatz eines Messers, Schläge mit der Faust gegen Arme, Beine und in den Bauch sowie Fusstritte gegen das Bein), und das Gutachten über den Beschuldigten steht ausschliesslich in Zusammenhang mit den Deliktsvorwürfen zum Nachteil der Beschwerdeführerin. Auch unter diesem Gesichtspunkt rechtfertigt sich keine Einschränkung des Akteneinsichtsrechts (vgl. Markus Schmutz, a.a.O., Art. 101 N 8 unten).
Vorliegend stellt sich einzig die Frage, ob private Geheimhaltungsinteressen des Beschuldigten die Einschränkung des Akteneinsichtsrechtes der Privatklägerin erforderlich machen (Art. 108 Abs. 1 lit. b StPO). Dabei ist vorweg festzuhalten, dass kein entsprechender Antrag des Beschuldigten vorliegt. Da ihm von der Verweigerung der Einsicht in das Gutachten mit Verfügung der Beschwerdegegnerin vom 6. September 2012 Mitteilung gemacht wurde, bestand für ihn bisher auch keine Veranlassung zu entsprechender Antragstellung. Zu beachten ist auch, dass er im vorliegenden Beschwerdeverfahren nicht Partei ist und nicht angehört wurde. Vorliegend kann deshalb nur geprüft werden, ob eine Verweigerung der Einsicht in das Gutachten sich bereits ohne entsprechenden Antrag des Beschuldigten rechtfertigt. Dies ist zu verneinen, denn der Beschuldigte ist der ehemalige Lebenspartner der Beschwerdeführerin und sie haben ein gemeinsames Kind (geboren am tt.mm.2011). Die Beschwerdeführerin ist unter diesen Umständen nicht eine aussenstehende Drittperson, welche mit der Persönlichkeit des Beschuldigten nicht vertraut wäre. Entsprechend hat sie denn auch Kenntnis von den Alkoholproblemen des Beschuldigten. Ihr Interesse an der Kenntnisnahme des Gutachtens im Zusammenhang mit der Beurteilung der Rückfallgefahr und der Beurteilung der Frage nach dem Vorliegen einer psychischen Störung ist aufgrund der Anklagevorwürfe evident, denn diese beinhalten häusliche Gewalt und insbesondere Todesdrohungen. Bei dieser Ausgangslage besteht keine Veranlassung, das ihr grundsätzlich zustehende Akteneinsichtsrecht vorweg ohne entsprechenden Antrag des Beschuldigten einzuschränken und ihr die Einsichtnahme in das Gutachten zu verweigern. Indessen ist zu beachten, dass der Beschuldigte zur Frage der Gewährung des Einsichtsrechtes in das ihn betreffende Gutachten bisher noch nicht angehört wurde. Es muss ihm die Möglichkeit offen gelassen werden, bei der zuständigen Verfahrensleitung (Art. 102 Abs. 1 StPO in Verbindung mit Art. 61 StPO) einen Antrag auf Einschränkung des Akteneinsichtsrechts der Privatklägerin zu stellen und seine Interessenlage darzustellen. Aus diesen Gründen ist ihm Mitteilung vom vorliegenden Beschwerdeentscheid zu machen und fällt eine Anweisung an die Beschwerdegegnerin oder das zuständige Gericht, der Privatklägerin Einsicht in das psychiatrische Gutachten zu gewähren, entgegen dem Antrag der Beschwerdeführerin ausser Betracht.
Demzufolge ist die Verfügung der Beschwerdegegnerin aufzuheben und festzustellen, dass der Beschwerdeführerin – vorbehältlich eines gestützt auf Art. 108 Abs. 1 lit. b StPO allenfalls gutzuheissenden Antrages des Beschuldigten – ein Akteneinsichtsrecht bezüglich des Gutachtens vom 31. August 2012 von Dr. med. C. über den Beschuldigten zusteht.
Fazit
Anhand des Beispiels des Akteneinsichtrechts der Privatklägerschaft wird deutlich, dass deren Rechtsstellung ungenügend ist. Die Privatklägerschaft wird vom Gesetz und von der Praxis stiefmütterlich behandelt. Die Privatklägerschaft ist eine Quantité négligeable. Der zweite Beschluss des Obergerichts nimmt die Privatklägerschaft wenigstens einigermassen ernst, indem richtigerweise kein Interessennachweis bei der Akteneinsicht verlangt wird. Die vorherrschende eingeschränkte Optik auf zivilrechtliche Ansprüche negiert, dass Geschädigte mit der Teilnahme am Strafverfahren nicht nur finanzielle Interessen vertreten. Es geht auch um die persönliche Bewältigung einer Straftat. Folglich wäre es wünschenswert, dass sich Geschädigte wie in Deutschland im erstinstanzlichen Hauptverfahren auch zum Strafpunkt äussern können. In diesem Fall würde sich die Diskussion um die Akteneinsicht von selbst erledigen, denn, um sich zur Strafzumessung äussern zu können, ist umfassende Aktenkenntnis (inkl. psychiatrisches Gutachten) notwendig.